Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

in Rußland herrscht, und von der Graf Pourtales zu berichten weiß, 
auf russische Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen müssen. Der 
Minister wird jedenfalls, dessen bin ich gewiß, bei Ausbruch eines 
österreichisch-serbischen Streits sein möglichstes tun, um Rußland 
zurückzuhalten. Ich glaube aber nicht, daß er dort, wie etwa in 
Paris, in der Lage ist, das entscheidende Wort zu sprechen4. 
Was aber die hiesige öffentliche Meinung betrifft, so bedauere 
ich, die Ausführungen meines Telegramms Nr. 1295 voll aufrechter¬ 
halten und nachdrücklich vor Täuschungen warnen zu müssen. 
Trotz der Bomben der Mazzimsten, die in der Verfolgung ihrer poli¬ 
tischen Zwecke kaum zartfühlender waren als die Mitglieder der 
Ochrana und bekanntlich auch vor Attentaten auf Allerhöchste und 
Höchste Häupter nicht zurückschreckten, wandte sich die hiesige 
öffentliche Meinung der italienischen Einheitsbewegung zu, feierte 
Garibaldi hier ip überschwenglicher Form. Es gelang damals Öster¬ 
reich ebensowenig, der italienischen Bewegung den Todesstoß zu ver¬ 
setzen wie sich hier Sympathie zu erwerben, und ich bezweifle, daß 
das Serbentum zum Verzicht auf Betätigung seiner nationalen Ideale 
und Hoffnung außerhalb seiner amtlichen Grenzen durch Aufwerfung 
der Machtfrage zu bewegen sein wird. 
•Lichnowsky 
4 Am Rande die Bemerkung Zimmermanns: »Ich bin vom Gegenteil über¬ 
zeugt. « 
5 Am Rande die Bemerkung Jagows: »Das ist leider alles richtig.« 
Nr. 53 
Der Botschafter in Petersburg an den Reichskanzler1 
St. Petersburg, den 13. Juli 19142 
Das Attentat in Sarajevo hat zwar auch'Jiier 
einen tiefen Eindruck gemacht, und die Verurteilung 
des schändlichen Verbrechens kam im ersten Augen¬ 
blick in weiten Kreisen laut zum Ausdruck. Der 
hier gegen Österreich-Ungarn herrschende tiefe Haß 
machte sich jedoch sehr bald auch bei diesem 
1 Nach der Ausfertigung. 
■a Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 16. Juli vorm. Bericht lag dem 
Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im 
Amt. Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 26. Juli den Botschaften in 
Wien, London und Paris mitgeteilt, am gleichen Tage außerdem noch 
der Botschaft in Rom.
	        
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