Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in 
Wien1 
Geheim! Berlin, den 15. Juli 19141 2 
Der k. Botschafter in Rom telegraphiert: 
»Obwohl Marquis di San Giuliano . diesem Bei¬ 
spiel folgten«3 
So austrophob im allgemeinen die italienische öffentliche Meinung 
ist, so serbophil hat sie sich bisher immer gezeigt. Es ist auch 
für mich kein Zweifel, daß sie bei einem österreichisch-serbischen 
Konflikt sich prononziert auf seiten Serbiens stellen wird. Eine 
territoriale Ausbreitung der österreichisch-ungarischen Monarchie, 
selbst eine Ausdehnung ihres Einflusses im Balkan wird in Italien 
perhorresziert und als eine Schädigung der Position Italiens daselbst 
angesehen. Infolge einer optischen Täuschung wird angesichts der 
vermeintlichen Bedrohung durch das benachbarte Österreich die in 
Wirklichkeit viel größere slawische Gefahr verkannt. Ganz abgesehen 
davon, daß die Politik der Regierung in Italien nicht unwesentlich 
von den Stimmungen der öffentlich en Meinung abhängt, so beherrscht 
die obige Auffassung doch auch die Köpfe der Mehrzahl der 
italienischen Staatsmänner. Ich habe bei ihnen jedesmal, wenn 
eine Bedrohung Serbiens durch Österreich in Frage kam, eine 
außerordentliche Nervosität konstatieren können. Durch eine Partei¬ 
nahme Italiens für Serbien würde fraglos die russische Aktionslust 
wesentlich ermutigt. In Petersburg würde man damit rechnen, daß 
Italien nicht nur seinen Bundespflichten nicht nachkommt, sondern 
sich womöglich direkt gegen Österreich-Ungarn wendet. Ein 
Zusammenbruch der Monarchie würde für Italien ja auch die Aus¬ 
sicht auf Gewinnung einiger langbegehrter Landesteile eröffnen. 
Es ist daher m. A. nach von größter Bedeutung, daß Wien 
sich mit dem Kabinett von Rom über seine- im Konfliktsfalle zu 
verfolgenden Ziele in Serbien auseinandersetzt und es auf seiner 
Seite oder — da ein Konflikt mit Serbien allein keinen Casus 
foederis bedeutet — strikt neutral hält. Italien hat nach seinen 
Abmachungen mit Österreich bei jeder Veränderung im Balkan 
zugunsten der Donaumonarchie ein Recht auf Kompensationen. 
Diese würden also das Objekt und den Köder für die Verband- 
1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. 
2 Abgegangen nach Wien: 15. Juli. 
8 Hier ist das Telegramm Flotows vom 14. Juli (siehe Nr. 42) unter Aus¬ 
lassung der Sätze »Weisungsgemäß . eingeweiht« und »Öster¬ 
reichischer besteht« eingefügt
	        
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