Volltext: Vom Attentat in Sarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Antwortnote in Berlin (1 / 1919)

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bindung gebracht werden könnte. Er habe dies 
auch schon dem Grafen Czernin gesagt und ihn ge¬ 
fragt, ob man denn in Wien sichere Beweise da¬ 
für besitze. 4 
Hierauf sprach sich S. M., wie ich schon tele¬ 
graphisch berichtet habe, über die Aussichtslosigkeit 
eines Bündnisses mit Bulgarien aus. Als S. M. da¬ 
von sprach, daß Rumänien nicht sofort mit Bulgarien 
in ein Bündnisverhältnis treten könne, wies er auf 
den letzten Grenzzwischenfall, bei dem ein rumäni¬ 
scher Soldat von einem bulgarischen erschossen 
wurde, sowie darauf hin, daß die Stimmung in 
Bulgarien gegen Rumänien sehr erregt sei. 
S. M. meinte weiter, die Lage sei zwar augen¬ 
blicklich ernst, doch nicht hoffnungslos. In Wien 
scheine man den Kopf verloren zu haben. Es wäre 
gut, von Berlin aus auf den Ballplatz einzuwirken, 
um der dort heri sehenden kleinmütigen Stimmung 5 
auszuhelfen. Über die politischen Fähigkeiten des 
Grafen Berchtold sprach sich S. M. nicht gerade 
schmeichelhaft aus. Der König tadelte die Organi¬ 
sation in Bosnien und meinte, man wisse tatsächlich 
heute noch nicht, ob Österreich oder Ungarn dort 
regiere. 
Während S. M. früher die Mißstimmung im 
Lande gegen Österreich-Ungarn als eine Welle, die 
wieder vorübergehen werde, bezeichnet hatte, 
äußerte Er sich gestern dahin, daß die Agitation 
eine ernste sei. Höchstderselbe stimmte mir bei, 
als ich die Ansicht aussprach, dieselbe sei deshalb 
so heftig geworden, weil man hier Österreich für 
schwach halte, und zudem das Selbstbewußtsein in 
Rumänien so außerordentlich gestiegen wäre. Als 
ich ei wähnte, daß hier vielfach der Glaube bestehe, 
Siebenbürgen werde in nicht zu ferner Zeit Rumänien 
zufallen, meinte S. M., Er trete dieser Auffassung 
hier scharf entgegen und habe offen ausgesprochen, 
daß Er sich zu einer Eroberung Siebenbürgens 
niemals her geben werde. Nach der Tafel kam das 
Gespräch nochmals auf diese Frage, wobei der 
König, zum Prinzen Ferdinand gewendet, äußerte: 
»Wir werden das ja nicht mehr erleben, Dein Sohn 
vielleicht.« 
4 Am Rand Ausrufungszeichen und Fragezeichen des Kaisers. 
5 Desgleichen.
	        
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