Volltext: Erinnerungen des Kronprinzen Wilhelm

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Lage darstellen könnten. Bittere Nachrichten würden 
am liebsten ganz zurückgehalten. Dazu wüte der Rot- 
stist, namentlich in Zeiten kritischer Vorgänge an der 
Front, in den Depeschen und Berichten, und was so 
am Ende stehen bleibe, das sehe oft genug ganz anders 
aus als das, was im Zusammenhange gemeldet wurde. 
Die Zensur hat durch ihren Einfluß auf diese Be 
richte unmittelbarer Augenzeugen viel und schwer an 
der Heimat gesündigt. 
Sylvesternacht 1920. 
SV^or einer halben Stunde sind wir von der beschei- 
denen Sylvesterfeier aufgestanden: Müldner, 
Zobeltitz und ich. 
Also eine ganz richtige kleine Gesellschaft! 
Wie habe ich mich gefreut, als Zobel, sowie der Eis 
gang das erlaubte, doch herüberkam. 
Aber der Abend heute ist trotzdem still und schwer- 
gewesen. Gleichsam, als ob ein jeder heimlich im Ge 
spinst der eigenen Gedanken gefangen hinge und als 
ob jeder, wenn er sprach, stch ängstlich vorsähe, wie er 
die Worte setze, daß er nicht irgendwie an Leid und 
Wunden rührte. 
Ein Glück, daß wir den guten Zobel hatten mit seiner 
orangegelben Strickjacke und seinem unverwüstlichen me 
lancholischen Humor. Der hat die Gabe, auch das bitter 
Harte durch seine stille, überlegene Varrenweisheit mil 
der und erträglicher zu machen. — 
Was einem doch in solchen Stunden nicht alles durch 
die aufgestöberten Gedanken läuft!
	        
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