Volltext: Erinnerungen des Kronprinzen Wilhelm

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Mit Herrn von Heydcbrand hatte ich im Juli 1918 
ein Gespräch über die Lage und die Kriegsziele, und ich 
war dabei betroffen über den Optimismus, mit dem er 
auch zu diesem Zeitpunkte noch in die Zukunst blickte. 
Er war geradezu erschüttert, als ich ihm die nackte 
Wahrheit enthüllte, als ich ihm sagte, daß wir schon 
seit langer Zeit an der Westfront einen Verzweiflungs 
kampf mit ermüdeten, erschöpften Truppen gegen eine 
riestge Übermacht führten. 2lls ich ihm dann genaue 
Zahlen als Unterlagen für meine Ausführungen nannte, 
ihm unsere bitter traurige Ersatzlage darlegte, schien er 
die harte Wirklichkeit, wie ste stch da vor ihm auftat, 
kaum fassen zu können. Mein Chef hat ihm im An 
schluß an meine Aufklärung die Angaben bestätigt und 
noch weiter ergänzt. — Herr von Heydebrand sagte mir 
darauf, nach dem, was er jetzt erfahren habe, müsse er 
bekennen, daß er bisher eine völlig falsche Auffassung 
von unserer Lage gehabt habe; man habe ihn und seine 
Partei in Berlin völlig unrichtig orientiert. — 
Die Tatsache der zu rostgen amtlichen Orientierung 
erklärt auch die sonst völlig unverständlichen, oft viel 
zu weit gesteckten Ziele der infolge ihrer Fehlwünsche 
so verschrieenen alldeutschen Partei. Sie, wie viele 
andere, wußte eigentlich nichts von dem tatsächlichen 
Bilde der Lage. Die Alldeutschen wollten dem Volke 
Kriegsziele zeigen, für die wir kämpften; Frankreich 
focht für Elsaß-Lothringen, England um die Vorherr 
schaft zur See und um sein Handelsmonopol, Rußland 
um Konstantinopel und um einen Zugang zum eisfreien 
Meer, Italien endlich um die „unerlösten Provinzen". 
Wofür kämpfte Deutschland? Darauf wollte die so
	        
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