Volltext: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 45. und 46. Jahrgang (45. und 46. Jahrgang / 1925)

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1564 usw. bestimmen außer dem täglichen Katechismus-Unterricht in 
allen Klassen für die unteren noch besondere Tage und Stunden (meist 
Samstag I bis 2 Stunden) weil man hier mit dem Katechismus auch 
Lesen und lateinische Grammatik in Verbindung brachte und in den 
oberen Klassen für bibelftudium und dogmatifchen Unterricht mehr Zeit 
gewinnen wollte. — Zn unserer Schulordnung waren zwei Wochenvor 
mittage dafür festgelegt — immerhin eine reichlich bemessene Zeit. Den 
noch konnte dieses einfache Katechismuslernen und Kapitellefen sowie 
die den Rahmen des allgemeinen Unterrichts umschlingenden Schulgebete 
doch wohl einen methodischen Religionsunterricht nicht ersetzen. Nirgends 
ist von Religionsgeschichte, bibelkunde, systematisch betriebener Glau 
bens- und Sittenlehre eine Andeutung, wiewohl die gleichartigen Schulen 
Deutschlands darüber bereits feste Normen hatten?') 
Werner kam in der Gnnfer Schulordnung gegenüber dem philolo 
gischen woment, dem betrieb der lateinischen Sprache, der Realienunter 
richt entschieden zu kurz. Daß der Lateinunterricht eine alles über 
wuchernde Stellung einnahm, ist begreiflich; war doch Latein die Ge 
lehrten- und Weltsprache und traten doch die Reformatoren im Einklang 
mit den Humanisten entschieden dafür ein. nur daß sie auf die Erlernung 
eines völlig reinen Latein, aus den Klassikern geschöpft, drangen, die be 
kanntlich bet den katholischen Schulen des Mittelalters nicht im Ansehen 
standen. Über auch der betrieb der lateinischen Sprache in Grammatik 
und Lektüre stand in unserer Gnnser Schule nicht auf der höhe der gleich 
wertigen höheren Schulen Deutschlands, trotzdem unsere Schul-ivrdung 
ausdrücklich die Grammatik nach Bibel und Katechismus das schwerste, 
also wichtigste Stück nennt.^) Es galt hier so wenig wie bei den 
niederen Lateinschulen Deutschlands durch die Grammatik eine 
völlige Einsicht in den bau und Geist der Sprache zu gewinnen; auch die 
der Grammatik innewohnende logische Kraft war nicht genug beachtet: 
man trachtete eben nur danach, die Schüler möglichst bald dahin zu 
bringen, die lateinische Sprache mündlich und schriftlich zu beherrschen. 
Ihr oberster Zweck war also ihre Nutzbarmachung für die Eloquenz. 
Zum Gebrauch war die Grammatik Melanchthons vorgeschrieben. In 
der zweiten Klasse wurden Duaestiones grammaticae; in der ersten 
Klasse ebenfalls nur in kleinerem Ausmaß betrieben. 
Als Lektüre wurde in der Gberklafse zunächst officia Eiceronis vor 
genommen mit dem ausgesprochenen Nebenzwecke, daß die Knaben nit 
allein schöne Latein lernen, sondern auch schön Exempel, Lehr und An 
leitung zu allen adelichen Tugenden daraus schöpfen mügen. Es ist frag 
lich, ob die Lektüre mancher Klassiker, wie Eerenz, Gvid, Aristophanes, 
sich in dem waße zur Eharakterbildung eignen, wie die Reformatoren 
im allgemeinen und welanchthon im besonderen anzunehmen schienen. 
Ticero konnte natürlich wie kein anderer die Schüler dem Ziele der 
eloquentia nahe bringen, und nach der Seite seiner Einflußnahme auf 
die Eharakterbildung urteilt auch Luther, die officia Eiceronis feien 
viel besser denn Ethica Aristotelis. vielleicht hat man doch daran in 
gewisser Hinneigung zum Humanismus des Guten zuviel getan oder er 
wartet. Rach Sturms Klassenbriefen (1565) diente die Lektüre Eiceros 
in der dritten Klaffe zur Erläuterung der grammatischen Regeln, nach 
der Württembergischen Kirchenordnung 1559 zur Exemplifikation der
	        
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