letzten Minuten. Aber vergeblich harren die zum Ansprung bereiten Kämpfer auf
den höllischen Gesang der Mörser und Haubitzen. Kein einziger der furchtbaren
Hämmer holt im Riesenbogen aus, um dröhnend auf die Felsburg der Cra. Meletta
di Gallio niederzuschmettern. Letzte niedliche Schrapnellwölkchen umflattern den
Hochrücken, den hinter dem Felsriegel sich verlassen Dünkenden schier zum Hohne.
Des Bataillonsführers blitzartiger Entschluß reißt Infanteriegeschütz und
schweres Maschinengewehr an die Felsrippe, ballt sie zu einer „Batterie". Ein
kurzer, letzter Appell an die Sturmstaffeln — es geht um die Ehre des Regimentes!
Zum Reißen gespannt sind die Nerven. Alles harrt des erlösenden Zeichens...
Auf der Felsrippe reckt sich der Arm des Bataillonsführers. Die „Felsbatterie"
reißt ihren stählernen Fächer auf, wirst ihn, einer Tarnkappe gleich, über den
Italiener, duckt ihn in den Fels. Wie von einem Katapult geschossen, fliegt die
geballte Sturmstasfel heraus aus der schützenden Rachel, llberguert in tollstem
Laufe die Felsrippe und landet jenseits im toten Streifen. Nur etliche Sekunden
Atemrast gönnen sich die Sturmentflammten. Schon gehen sie den Steilhang an,
voran die Sturmpatrouillen. Sind dies die Männer, die seit mehr als Jahresfrist
im starren, abstumpfenden Grabenkriege, im wechselvollen Abwehrkampfe wider
Feind und Naturgewalt gestanden? Denen an Stelle des stolzen Bajonettes der
traurige Spaten in die Hand gedrückt war? Sind es die Männer, die in der sagen¬
umwobenen Fanes, im wilden Travenanzes, in den schneeverhüllten Schlünden des
Mt. Sief, am wundgeschossenen Heldenberge Mt. Forno Monat um Monat vom
Schicksal zu einem harten, entsagungsreichen, stets nur auf nervenzermürbende
Abwehrbereitschaft eingestellten Dasein bestimmt waren? Nun war dieser allem
Vollblutsoldatentum, allem wurzelhaften Kraftbewußtfein verhaßte Kerker endlich
gesprengt. Nun waren sie frei geworden von aller drückenden Unrast.
über sie flattert die Fahne aus Stahl und Eisen, ohne Unterlaß geschwungen
von der Felskanzel zutiefst, über die hinanbrausende Menschenwoge rast die
stählerne Sturzflut. Schon quellen aus den Racheln die Sturmtrupps. Keuchenden
Atems, mit perlender Stirn werfen sie sich an die Drahtwehr, bezwingen sie rasch
mit den großen Scheren des Feindes. Die ersten Handgranaten fliegen in die italie¬
nischen Gräben. Als erster Sturmtrupp stößt Korp. tit. Zgf. Joses Allerbauer, einem
Falken gleich, in den Graben (silb. TM. 1. Kl. zum zweitenmal), mit ihm die
ungestümen Gft. Joses Feldhofer und Inf. Matthias Hösele der 10. Komp. (silb.
TM. 1. Kl.). Ihnen nach im wogenden Anwurf der linke Sturmflllgel, meisterlich
gelenkt vom sturmvertrauten, geistesgegenwärtigen Oblt. Kores (Orden der
Eisernen Krone 3. Kl.). Im Nu ist vom ungestümen Angriff die feindliche Linie
durchstoßen. Zur Rechten sind Krampls Leute an der Arbeit. Lt. i. d. R. Temmel
beginnt mit feinen Sturmpatrouillen schneidig mit der Ausrollung der Gräben, des¬
gleichen Oblt. Kores, der hiebei eine Verwundung davonträgt. Indes folgen die
schweren Maschinengewehre und die Infanteriegeschütze.
Vierzig Minuten nach dem Ansprunge — um 4.20 Uhr nachmittags — war
Cra. Meletta di Gallio erstürmt, das feindliche Grabensystem durchstoßen, der
Feind zersprengt.
Schon fallen die ersten Dämmerschatten, als neues Leben die Racheln erfüllt.
Dunkle Schlangenlinien ziehen über die Hänge, über die sich der Sturmblock
hinanschwang, zu Tal: Scharen lebhaft gestikulierender, frohgemuter Italiener. Der
blitzschnelle Einbruch hatte sie vollends überrascht.
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