nicht zu verraten. Alle Offiziere, besonders die Sturmtruppführer, gewannen den
Eindruck, daß der Angriff wegen mangelnder Detailaufklärung, weiters in An¬
betracht der stark befestigten und verdrahteten Stellung und der anscheinend
starken Besatzung auf alle Fälle ein äußerst riskantes Unternehmen darstelle. Aber
keine Kriegshandlung ist ein reines Rechenexempel. Im Kriege gibt es keine vollen
Sicherheiten: ein kleiner unvorhergesehener Zufall vermag oft Pläne zu stören
oder zu zerstören.
Weitaus niederdrückender wirkte ein Bild, das um diese Stunde ein Blick ins
Campo-Mulo-Tal einfing: hastende Kolonnenteile im Marsche gegen Süden. Es
waren die 2er-Kaiferjäger. In die Talung hereinflankierendes Geschützfeuer hatte
ihren Anmarsch derart erheblich gebremst, daß ein zeitgerechtes Einrücken in die
Angriffsfront gänzlich ausgeschlossen war. Für den Führer der 27er war dies der
härteste Augenblick. Denn er mußte sich sagen, daß unter solchen Voraussetzungen
dem ganzen Angriffsgedanken und dem großen Angriffsziele — der Meletta-Zomo-
Rücken sollte fallen! — von vornherein ein schwerer Stoß versetzt wurde.
Wenn auch über diese Eindrücke an das 1. KIBrigKmdo. auf Mt. Longara
berichtet wurde, so hielt das 6. JDKmdo. in dieser Stunde an der Ausführung
des Sturmes fest. Es erhoffte sich durch Ausweitung der artilleristischen Vor¬
bereitung von fünfzehn auf dreißig Minuten eine wesentliche Kräftigung des
Sicherheitsfaktors und ein, wenn auch verspätetes, erfolgreiches Eingreifen der
südlichen Sturmstassel.
Es ging gegen 3 Uhr. Nach Ablegen der Tornister und Rucksäcke begann die
Gruppierung zum Angriffe; sie war um 3.10 Uhr nachmittags, kurz nach Ein¬
setzen des eigenen Artilleriefeuers, abgeschlossen (f. Skizze 27).
Die 10. und 11. Komp, gliederten sich in zwei Wellen, je zwei Züge formten
die erste und zweite Welle, denen acht Sturmpatrouillen (je eine von der 10. und 11.,
drei vom 27er-Sturmzuge, drei von KIR. 2) vorangingen. Die 9. Komp, hatte
hinter dem rechten, die halbe Kaiserjägerkompagnie mit den restlichen Sturm-
patrouillen hinter dem linken Flügel der Angriffsfront zu folgen. Kurz vor dem
Angriffe konnten noch dank der Voraussicht des Sturmzugskommandanten,
Lt. i. d. R. Temmel, aus den italienischen Magazinen requirierte große Draht¬
scheren an alle Sturmpatrouillen als höchst willkommene, die Zuversicht hebende
Gabe verteilt werden.
Jetzt galt es nur eines: jeder mußte von hartem Sturmwillen durchdrungen
sein und auf die eigene Kraft vertrauen.
Auf die eigene Kraft! Mehr denn je tat dies heute not! Denn auch das artilleri¬
stische Vorspiel war eher dazu angetan, den Angriffsgeist einer opfermutigen In¬
fanterie niederzudrücken als anzufachen. Wäre der Augenblick nicht von ernster
Spannung erfüllt, so würde Helles Auflachen nicht wundernehmen. Schrapnells
aus Kleinkalibern zerstäuben über dem Melettarücken. Gezählte acht leichte Gra¬
naten! Gesteigerter Ruf von den Unterführern nach einem wirklichen Feuerschlag!
Zweimal durchläuft der Appell des Bataillonsführers den Draht. Der Brigadier
auf Mt. Longara, selbst Augenzeuge dieses jammervollen Zustandes, hatte schon
eingegriffen'. Es kam die trostverheißende Zusage von „schwerem" Feuer in den
' Ein Teil der Artillerie, zumal die schwere, befand sich gerade während des Angriffes in
der schon begonnenen, viel Zeit beanspruchenden Umgruppierung.
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