Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Ein seelischer Aufbruch, eine überwältigende Begeisterung, nur vergleichbar mit jener vom 
Sommer 1914! 
Der italienische Oberbefehlshaber, Gen. Graf Cadorna, berichtet in seinen Erinnerungen *, 
daß schon seit Anfang September Nachrichten über einen geplanten gemeinsamen deutsch- 
öst.-ung. Angriff an der Front der Irdischen Alpen eingegangen seien. Anfangs Oktober 
verdichteten sie sich, so daß die Mitwirkung deutscher Truppen, die Angriffsstellen bei Flitsch 
und Tolmein wie auch der Zeitpunkt des Angriffes ziemlich genau bekannt wurden, trotzdem 
unsererseits nichts unterlassen worden war, um den Feind über unsere Pläne zu täuschen. 
Im Trentino schien keine Gefahr zu drohen. Volle Wahrheit erhielten die Italiener wenige 
Tage vor Angriffsbeginn durch zwei übergelaufene Reserveoffiziere rumänischer und einen 
Reserveoffizier tschechischer Herkunft. 
Cadorna sah den kommenden Geschehnissen mit Zuversicht entgegen, von seinen Kom¬ 
mandierenden Generalen hierin bestärkt. „Die Offensive traf uns wohl gerüstet", erklärte 
Cadorna vor dem nach den Ereignissen eingesetzten Untersuchungsausschüsse. „Es hätte 
genügt, wenn jeder Mann nur ein Magazin, jedes Maschinengewehr nur eine Gurte ver¬ 
schossen und jedes Geschütz einen Schuß abgefeuert hätte; der Feind wäre nicht gekommen!" 
Ein kommandierender General verstieg sich in einem Korpsbefehl zu den großen Worten: 
„Mögen sie kommen, die Abkömmlinge Armins, sie werden nicht mehr die Legionen des 
Varus finden1 2!" 
Wie der schweizerische Militärschriftsteller Stegemann 3 mit Recht feststellt, „war es ein 
Unterfangen von beispielloser Kühnheit, denn es galt, dreifach gegliederte und verkettete 
Alpengipfel von mehr als zweitausend Metern zu übersteigen, schwerbestückte Tal-, Hang- 
und Gipfelstellungen zu stürmen, von Kanonen beherrschte und mit Reserven gepfropfte Flu߬ 
täler auszuräumen und den Angriff binnen zwei Tagen in die Ebene zu tragen, wo der 
Feind über alle Bewegungsmöglichkeiten verfügte und dem ermüdeten, geteilt aus den 
Bergen tretenden Angreifer nach Gefallen mit gesparter und gesammelter Kraft entgegen¬ 
treten konnte." 
Um 2 Uhr morgens der dunklen Regennacht des 24. Oktober — auch der launische Wetter¬ 
gott ließ es an wertvoller Unterstützung nicht fehlen — brüllten die Geschütze längs der 
Gesamtfront der Armee Below auf. Die 12. Isonzofchlacht, deren eingehende Schilderung 
außerhalb des Rahmens der Regimentsgeschichte fällt, hatte ihren Anfang genommen. 
Schon am ersten Schlachttage fiel im Tolmeiner und Mischer Becken die Entscheidung. 
Das Rückgrat des italienischen Verteidigungssystems nördlich des Isonzo war gebrochen. 
Bereits am Abende des 24. sah Cadorna seine zuversichtlichen Hoffnungen schwer enttäuscht. 
Der 25. und 26. Oktober brachten die Vollendung des Durchbruches. Die Ereignisse über¬ 
stürzten sich. Bereits in der Nacht zum 27. sah sich Cadorna gezwungen, die Befehle für den 
Rückzug hinter den Tagliamento auszugeben. Der Rückzug der zerschlagenen, gänzlich ent¬ 
wurzelten 2. italienischen Armee des GLt. Capello artete in panikartige Flucht hinter die 
Tagliamentolinie aus, während die 3. italienische Armee des Herzogs von Aosta auf das 
westliche Isonzoufer wich und sich in recht gefährdeter Lage befand. Auf den Rückzugsstraßen 
stauten sich die fliehenden Mannschaften des Heeres — Cadorna schätzte sie auf 350.000 — 
und etwa 400.000 Flüchtlinge der schwer betroffenen Bevölkerung. 
Am 27. Oktober reifte die Ernte des Durchbruches der julischen Alpenschranke: die Masse 
der 14. Armee trat aus dem Gebirge in die Ebene. Auch für die Kämpfer im Görzer 
Abschnitte und auf dem Karste war die Stunde gekommen, in der sie aus ihren Gräben, 
Kavernen und Dolmen hervorbrechen und die seit zweieinhalb Jahren so glorreich geführte 
Verteidigung in eine siegreiche Offensive verwandeln durften. Am Morgen des 28. wehte 
vom Görzer Kastell unsere Flagge. Deutsche Truppen rückten an diesem Tage in Udine ein. 
In stündlich gesteigerter Auflösung wälzten sich Cadornas Isonzodivisionen dem Taglia¬ 
mento zu. 
Aller Voraussicht nach mußte binnen kurzem das vom Kommando der Südwestfront, 
Erzherzog Eugen, vorgezeichnete Ziel, den Feind „wenn möglich über den Tagliamento zurück¬ 
zuwerfen", erreicht sein. Jetzt kam alles darauf an, durch rücksichtsloses Vordringen die 
erst vom unteren Isonzo aus dem Raume zwischen Görz und Adria zurückweichende Armee 
des Herzogs von Aosta womöglich abzuschneiden und vom oberen Tagliamento aus dem an 
der Kärntner Front stehenden Feind in den Rücken zu stoßen und ihn aufzurollen. Der Versuch, 
dem Feinde durch einen Stoß auf Latisana zuvorzukommen, mißlang wegen der durch 
Marschkreuzungen entstandenen erheblichen Störungen auf dem linken Flügel der 14. Armee. 
1 Generale Luigi Cadorna, La guerra alla fronte italiana. 
2 G. d. I. Alfred Krauß, Das Wunder von Karfreit. 
51 Hermann Stegemann, Geschichte des Krieges, IV.. 441. 
233
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.