Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Auch auf dem Balkan schien das Ende monatelanger Waffenruhe heranzu¬ 
nahen, trugen sich doch nicht allein die Bulgaren, sondern auch die durch serbische 
Divisionen verstärkte Ententearmee mit Angrisfsplänen. 
Die schwer geprüfte Ostfront südlich vom Pripjatj konnte wenigstens in Wol¬ 
hynien eine gewisse Festigung erfahren. Zahlreiche deutsche und öst.-ung. Divisionen 
waren herangeführt worden. Allein die aufreibenden Kämpfe dauerten noch an, 
und Ende Juli stand man am Vorabende eines neuen Großangriffes von Brufsilows 
Heeresmacht, die durch unverbrauchte Divisionen, darunter die Garde, verstärkt 
worden war. So mußten auch die an der wolhynischen Front stehenden 27er des 
XIX. und des XX. MaBaons. — an die 2000 —, die feit den ersten Iulitagen im 
Verbände des niederösterreichischen IR. 49 und des Wiener LIR. 1 kämpften, 
schwerer Kampftage gewärtig sein1. 
Der Ausgang dieses Ringens war von Bedeutung. Das unter stetig wachsenden 
Ententedruck gesetzte Rumänien harrte der Stunde, in der es sich ganz in die 
Arme des oielstaatigen Feindbundes werfen konnte. Staatsmänner wie auch die 
militärischen Führer waren sich der rumänischen Gefahr bewußt und auch darüber 
klar, daß die Neutralität des Moldaukönigreiches ausschließlich durch einen durch¬ 
schlagenden Erfolg in Ostgalizien aufrecht erhalten werden könnte. Es hatte nicht 
an dem Willen zu einem kraftvollen Gegenschlage gemangelt, aber es fehlte an 
dem hiesür nötigen scharfen Instrumente. Die herangeführten Divisionen hatten die 
Lücken der wundgeschlagenen Front füllen müssen. So blieb es für die nächste 
Zukunft Aufgäbe der Heerführung, an der Ostfront weiteres Unheil zu verhüten. 
Aber auch die Angriffe des deutschen Bundesbruders gegen die Feste Verdun 
waren durch Brufsilows Schlag beeinträchtigt worden. Kräfte aus dem Westen 
mußten dem schwer heimgesuchten Bundesgenossen zu Hilfe gesandt werden. Als 
noch am 1. Juli die Sommeschlacht entbrannte, waren die Mittelmächte an allen 
Hauptfronten in die Hinterhand geraten. 
So war um die Monatswende Juli-August an allen europäischen Fronten eine 
im Weltkriege bis nun noch nie dagewesene Spannung eingetreten, wobei die 
Mittelmächte an allen Brennpunkten unter das Diktat des Feindes geraten waren. 
Diese ungünstige Lage war zum größten Teil daraus erwachsen, daß die Mittel¬ 
mächte ihre frei verfügbaren Kräfte nicht gemeinsam nach einem einvernehmlich 
gefaßten Plane zur Erreichung eines Zieles angesetzt hatten. „Diese Sünde gegen 
den heiligen Geist der Kriegführung", so äußert sich Cramon, „führte zu einer 
Krise, die möglicherweise überhaupt den Verlust des Krieges in sich schloß." Eine 
„Sünde wider den Geist jeglicher Kriegführung" wurde von den Mittelmächten 
weit mehr dadurch begangen, daß sie die verfügbaren Kräfte an zwei Punkten 
statt an einem angesetzt hatten. 
War im Hochsommer 1916 die Lage an den öst.-ung. Kampffronten eine überaus 
gespannte, so war sie es auch in der Heimat, aus der dem Heere die Kräfte zur 
Fortführung des Krieges zufließen sollten. 
Der große Menschenverbrauch im ersten Halbjahr 1916 verschärfte die ohnehin seit längerem 
sehr gespannte Ersatzlage in hohem Maße. Schon anfangs April hatte man neuerliche 
Musterungen aller Jahrgänge, Einschränkung der Enthebungen sowie eine weitere „Austausch¬ 
aktion" beschlossen und überdies gleichzeitig auch die Zeitfolge in der Absendung der Marsch¬ 
bataillone auf sechs Wochen ausdehnen müssen. 
1 Dem XIX. und dem XX. MaBaon. ist am Schluffe der Regimentsgeschichte ein eigenes 
Kapitel gewidmet. 
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