er den dritten Schlag mit übersteigerten Mitteln zu führen, um den zähen Ver¬
teidiger am Karstwall vor Görz und Triest in den hilflosen Zustand rettungsloser
Wehrlosigkeit zu versetzen. Erst nach abgeschlossener Bereitstellung der Stahl- und
Eisenmassen für den neuen Waffengang erteilt das italienische Höchstkommando
den Befehl zum Angriffe.
Aus den Nachtschatten hebt sich im hellen Sonnenscheine der boradurchstürmte
Herbsttag des 18. Oktober. Um die Mittagsstunde fegt der gewaltige Orkan des
aus Feuerschlünden aller Kaliber geschleuderten welschen Massenfeuers über die
ganze Ifonzofront, von den schneegekrönten Gipfeln des Krn bis zur Adria. Die
dritte Isonzoschlacht, die Schlacht um Görz, war entbrannt. Siebzig Stunden währt
dieser Feuersturm, hüllt alle Kampfstellungen und ihr Hintergelände in Rauch
und Flammen. Zum ersten Male dröhnen Lapronis einzeln und in Geschwadern
über der Karsthochfläche, tragen Tod und Verderben bis in die Etappe, steigern
mit Wursbombe und Maschinengewehr das Grauen der „Hölle von Doberdö".
Siebzig Stunden schlug das Hammerwerk mit voller Wucht aus den Riesenamboß,
an dem die kampfgestählten Truppen des III. und VII. Korps, an deren Nerven
das Feuer rüttelt, dem erlösenden Anstürme des italienischen Fußvolkes entgegen¬
harrten. Um 10 Uhr vormittags des 21. Oktober branden endlich die Sturmwellen
der 3. italienischen Armee aus der Sandsackfront gegen die ganze Karsthochfläche
heran. Stoß prallt auf Gegenstoß, Bajonett, Gewehrkolben, Spaten und Messer
wüten wie in den beiden ersten Wafsengängen. Hoch sind die beiderseitigen
Verluste. Auch bei Tolmein und Plava fließt das Blut in Strömen.
Hundertstündiges Trommelfeuer leitet den Vorstoß von Cadornas Zentrum auf
Görz ein. Gegen die elektrische Festung der Podgora, gegen den Mt. Sabotino,
den gewaltigen nördlichsten Eckpfeiler des Görzer Brückenkopfes, gegen den
Kirchenrücken von Oslavija wogt eine Sturmflut von nahe hunderttausend
Menschen heran. Polen und vor allem die Dalmatiner, die Helden von Görz,
schlagen Ansturm auf Ansturm in verzweifelten Nahkämpfen ab. Auch der
heißumstrittene Mt. S. Michele stand, besonders in den letzten Oktobertagen, im
Brennpunkte der Schlacht. Erschöpfung, die dringend nötige Ordnung der ver¬
mengten Verbände, der Ersatz der Verluste, wie nicht minder das außerordentlich
schlechte Wetter lassen den Angreifer am 4. November innehalten.
Vom 18. Oktober bis zum 4. November hatten die Kämpfe in fast ununter¬
brochener Heftigkeit gewütet. Dennoch war es dem Angreifer nicht geglückt, auch
nur das erste Ziel seiner bisher gewaltigsten Offensive zu erreichen: Görz war noch
fest in der Hand der Verteidiger. Wohl war es den Italienern, die überall mit
rühmenswertem Opfermut und kaum erlahmender Zähigkeit angriffen, da und dort
geglückt, die Abwehrlinien des Gegners einzubeulen. Aber sie zu zerreißen, blieb
ihnen versagt. Immer wieder sandte der Verteidiger von ungefähr zusammengeraffte
Reserven vor, um den eingebrochenen Feind entweder durch einen aus mehreren
Richtungen angesetzten Gegenstoß zu werfen oder doch, wenn die Rücksicht auf die
eigenen Kräfte oder italienischer Widerstand Angriffe verboten, den Einbruch sicher
abzuriegeln. So stand, beim ersten Abklingen dieses gewaltigen Ringens, an der
Ausdehnung des Kriegstheaters gemessen, die Mauer des Verteidigers noch dort,
wo sie zu Beginn aufgerichtet worden war'.
1 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, III., 450.
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