Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Oblt. i. d. R. Adolf Hösler, der Kommandant der 1. Komp., der am Sonntag- 
morgen des 19. September vom Dobetdofee aus das schreckensvolle Wäldchen 
aufsuchte, entwirft ein schauriges Bild von dem „Totenwäldchen": 
„Dieses geheimnisvolle Wäldchen, das unseren Kriegern als Gespensternest galt und sich 
in eine flache Mulde geduckt hatte, hatte meine Neugierde lebhaft erregt, so daß es mich 
gelüstete, einen Blick in das Innere zu werfen. Sollte es doch etwas Besonderes, Außer¬ 
gewöhnliches sein — und eben solches suchte ich. 
Aber dieses Besondere sollte mir an die Nerven greifen! Wohl hatte ich mir keinen 
deutschen Wald mit mächtigen Hochstämmen und vollem Wipfelrauschen vorgestellt, sondern 
nur ein schmuckloses, ärmliches Karstwäldchen gedacht, wie es die Hochfläche von Doberdo 
hie und da aufweist. Allein was sich hier den Blicken bot, war grauenvoll; als ob ein schwerer 
Orkan das Wäldchen durchtobt und mit seinem ganzen Zorne und seiner ganzen Stärke das 
Beispiel einer gründlichen Zerstörung hätte bieten wollen! Wipfellos standen die Bäume, 
geknickt hingen die Äste, der Boden war ein Gewirr von entwurzelten Bäumen und Sträuchern, 
so daß jedes Vorwärtskommen verwehrt war. Niemand sollte es wagen, die Greuelstätte 
blutiger Mordarbeit zu schauen... 
Wohin ich auch blickte, überall dasselbe Bild des Entsetzens, überall hatte der Mäher Tod 
reichlich Arbeit getan und ein großes Grab, ein Massengrab mit unheimlicher Umrahmung 
geschaffen. Ein längeres Verweilen war hier ausgeschlossen, erfüllte doch ein durchdringender 
Verwesungsgeruch die Luft, daß einem das Atmen schwer ward. Aber ich wollte wissen, wer 
hier gekämpft, verblutet und unbestattet lag, wes Stammes, wes Landes er sei. Ich wollte 
sie kennen, die H e l d e n, um deren Verbleib vielleicht Mutter und Kinder im bangen Zweifel 
heiße Tränen weinten, die Helden, die nicht der grüne Rasen der steirischen Heimat deckte, 
die Helden, die ausgekämpft haben für das deutsche Volk und Land. 
Meine Neugierde zu befriedigen, hatte ich bald das Wäldchen nach allen Richtungen durch¬ 
streift; überall das gleiche Bild! Es war wohl natürlich, daß der Gegner sein schwerstes 
Geschützfeuer in die einzelnen Waldparzellen legte, mußte er doch selbstredend annehmen, 
daß man in diesen Räumen die Reservetruppen gedeckt halten würde. Und diese waren stets 
dicht zusammengedrängt und boten somit der Mordarbeit willkommene Beute. Aber warum 
hatte man die Leichen der Tapferen so unbestattet, so ganz ohne letzte Kameradenliebe gelassen? 
Schon war ich bereit, die Kommandostellen der Roheit zu zeihen, als es sausend und rauschend 
über das Wäldchen hinwegfuhr und mit hellem Krachen einige hundert Meter hinter mir in 
den Boden schlug, mächtige Stein- und Eisensplittergarben gegen Himmel jagend. Der Tanz 
begann, er war mir nur zu gut bekannt: erst die Einleitung, nämlich einige Lagen übers 
Ziel, dann vor das Ziel und schließlich ins Volle! Eile tat not, denn ich hatte mich getäuscht; 
schon die zweite Lage saß. Baumstämme barsten, Erde und Steine spritzten auf, Leichenteile 
wurden mitgerissen. Sprungschnell geht es dem Waldrand zu, hinaus aus dem Hexenkessel, 
in dem nur das Schaudern verweilt. Ein Stolpern läßt mich neben ein Holzkreuz stürzen, 
in dessen Querbalken zischend ein Sprengstück fährt. Es reißt mich instinktiv in die Höhe, 
ich sehe hastig auf das Kreuz und sehe eine Inschrist. Ich lese und lese wieder, nehme mein 
Tagebuch und trage die Worte ein, Worte schönster Kameradschaft, wie sie nur jene sprechen, 
die ein gleiches großes Geschick in entscheidenden Stunden zusammenführt1: 
„Wir fanden zwei Helden im steinigen Karst — 
Vergessen und namenlos! 
Zwei Helden haben hier ausgekämpft, 
Getroffen von der Feinde Geschoß. 
Doch ihr sollt nicht vergessen sein, 
Ihr braven, tapferen Streiter, 
Es schmückt euch euer vergessenes Grab 
Die 11. Kompagnie der Steirer!" 
Unsere Steirer hatten also den unbekannten Kameraden die letzte Liebe erwiesen! 
Sie hatten der Deutschen schönste Tugend, die Treue, auch hier geübt. Unbekümmert um 
Gefahr und Tod folgten sie ihrem innersten Drange, Kameradschaft zu pflegen und zu 
üben. Für sie galt das Wort, das Simon Dach geprägt: 
„Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nichts an, 
Als daß er Treu' erzeigen und Freundschaft halten kann!" 
1 Der Verfasser dieser ergreifenden Inschrift, Oblt. Perleß, der Kommandant der 11. Komp., 
ließ sie am Kreuz des notdürftig hergerichteten Grabhügels anbringen. 
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