Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Der eingefleischte, sichere Glaube an die moskowitische „Kavallerieinvasion", die 
mit zahllosen Reitergeschwadern den ostgalizischen Raum überschwemmen, unserem 
Aufmärsche schweren Abbruch tun werde, erlitt eine harte Enttäuschung. Die 
erwarteten Raids größerer russischer Kavalleriemassen blieben aus; sie waren im 
Frieden nicht geübt worden. Die beinahe ausschließlich nur in kleineren Gruppen, 
dafür aber in breiten Fronten gleichzeitig auftretenden Russen wichen dem Kampfe 
zu Pferde zumeist und mit Geschick aus, verzögerten im Feuerkampfe — ihre 
Erfahrungen im mandschurischen Kriege nutzend — das Vorgehen unserer Reiterei 
und brachten ihr erhebliche Verluste bei. Immer mehr steigerte sich der Ruf nach 
Infanterieunterstützung. 
Das Ergebnis der Fernaufklärung durch die Kavallerie war mit Rücksicht auf 
die Stärke der russischen Heereskörper, an welche die Reiterdivisionen anrennen 
mußten, weit hinter den Opfern zurückgeblieben, welche die prächtige Waffe, vor¬ 
nehmlich für den Kampf zu Pferd und mit dem Säbel erzogen, dargebracht hatte. 
Durch die großen Strapazen, die außerordentlich empfindlichen Verluste und infolge 
der durch einen unpraktischen, übermäßig bepackten Sattel erzeugten „Drücke" 
wurde eine Reihe von Divisionen für mehrere Tage verwendungsunfähig 
War auch durch den Mangel an Einheitlichkeit und Planmäßigkeit die auf¬ 
opferungsvolle Tätigkeit unserer Truppen, Infanterie, Kavallerie und Grenzposten, 
in ihrem Werte für das Ganze wesentlich beeinträchtigt worden, so war ein großer 
Erfolg unzweifelhaft erreicht. Der Widerstand im Grenzraume hatte den Russen 
jeden Einblick nach Galizien verwehrt. Sie kannten die Ausgangssituation unserer 
Armeen nicht und täuschten sich hierüber wesentlich. Erst wenn man das vollständige 
Versagen der feindlichen Aufklärung unseren Ergebnissen gegenüberstellt, sieht man, 
was unsere Kavallerie geleistet hat^. 
Am 14. August hatten, trotz dürftigen Standes und unzulänglichen Materials, 
auch unsere wenigen Flieger mit der Erkundung im Bereiche der Armeen eingesetzt. 
Ein deutsches Luftschiff ergänzte ihre Tätigkeit mit einem Fluge über Kielce— 
Iwangorod—Lublin nach Przemyäl, wo sich am Nachmittage des 17. August die 
öst.-ung. Heeresleitung, der Armeeoberkommandant, G. d. I. Erzherzog Friedrich, 
und der Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht, G. d. I. Franz 
Frh. Conrad v. Hötzendorf, eingerichtet hatte. Waren auch die Ergebnisse der Luft¬ 
aufklärung gute, so wurden sie durch erhebliche, zumeist durch mangelhafte Betriebs¬ 
sicherheit der Flugzeuge verursachte Verluste erkauft. 
Russischerseits verzichtete General Iwanow trotz gewaltiger Reitermassen aus 
eine eigentliche strategische Aufklärung, anscheinend aus geringem Vertrauen auf 
einen durchgreifenden Erfolg. Das Vorfühlen russischer Divisionen nach Galizien 
war eher eine Verschleierungs- als eine Erkundungsmaßnahme gewesen. Iwanows 
wichtigste Nachrichtenquelle bestand in einem engmaschigen Konfidentennetze, das 
sich, nicht zuletzt dank der rusiophilen Werbearbeit unter den stammverwandten 
Ruthenen (Ukrainern), über ganz Ost- und Mittelgalizien bis in die Beskiden 
hinein erstreckte und in seiner Mannigfaltigkeit den öst.-ung. Armeen anfangs 
manche schwere Ungelegenheit bereitete. Die jahrelange, zielbewußte Propaganda 
der Russen im Grenzgebiete machte sich jetzt bezahlt. Sie lieferte zahlreiche orts- 
16 
1 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, I., 168. 
^ Pitreich, Lemberg 1914, 25.
	        
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