Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Bereits zu Beginn der zweiten Hälfte des Monats Oktober war der Oberbefehls¬ 
haber des deutschen Ostheeres, GO. v. Hindenburg, zur Einsicht gekommen, daß die 
Deutschen gegenüber der Zusammenziehung der russischen Hauptkraft in Polen 
zum Weichen gezwungen sein würden. Wohl wurde nach und nach das Gros der 
k. u. k. 1. Armee, G. d. K. Dankl, links der Weichsel in den Kampf geworfen. 
Allein für jeden Erfolg des deutschen Ostheeres war es zu spät. GO. v. Hindenburg 
war genötigt, schon am 18. Oktober seine Kräfte um etwa drei Tagmärsche zurück¬ 
zunehmen. Die russische Dampfwalze kam ins Rollen. Auch die Armee Dankl, die, 
am 2. Oktober gegen Iwangorod zum Angriff vorbrechend, frontal auf weitüber¬ 
legenen Feind stieß, konnte sich nur noch eiligst der drohenden Umklammerung 
entziehen und mußte am 27. Oktober früh die Schlacht bei Iwangorod abbrechen. 
Das kühne Manöver, den Feind über den Weichselstrom herllberzulassen und zu 
schlagen, während er seine Übermacht nicht zur Geltung bringen konnte, war 
mißglückt. 
GO. v. Hindenburg hatte noch den Ausgang der Schlacht bei Iwangorod 
abgewartet. Nunmehr befahl er den Rückzug. Nach gründlichsten Bahn- und Weg¬ 
zerstörungen sollte die ganze deutsche 9. Armee bis an die schlesische Grenze weichen. 
Sie mußte der von Norden drohenden Umklammerung entrückt werden. Die 
hiedurch gewonnene Operationsfreiheit sollte sich später in einem aus dem Raume 
von Thorn die Flanke des russischen Vormarsches treffenden Vorstoße auswirken. 
Hoch an der Zeit war es, als G. d. I. v. Conrad am Abende des 2. November — 
der Allerseelenstimmung angepaßt — auch die südlich der Weichsel stark abge¬ 
kämpften Armeen zurückberief. Der Entschluß fiel nicht leicht, da die stark herge¬ 
nommenen Vorräte der Lagerfestung Przemy«! ergänzt werden sollten, bevor man 
sie neuerlich ihrem Schicksale überlassen mußte. Erst am 28. Oktober war die erste 
Lokomotive aus dem Hinterland über Chyröw im Festungsbereiche eingetroffen. 
Viel war es nicht, was auf der Chyrower Linie — zumeist nur im Nachtverkehr 
mit gelöschten Lichtern — binnen sechs Nächten noch in die Festung hineingebracht 
werden konnte. Wenigstens vermochte aber dadurch auch die notwendige Evakuierung 
von Kranken und Verwundeten leichter bewerkstelligt zu werden. Die zahlreichen 
Cholera-, Typhus- und Ruhrkranken mußte man aber in ihren außerhalb des 
Festungsgürtels und abseits der Hauptkommunikationen etablierten Spitälern 
ihrem Schicksal überlassend 
Nach den erlassenen Befehlen hatte die 1. Armee nördlich der Weichsel den 
Rückzug über die Nida hinaus bis an die nördlichen Tore der Festung Krakau 
durchzuführen. 
Die übrigen k. u. k. Armeen hatten in den Raum von Bartfeld, an die Biata 
und an den Dunajec zurückzugehen, um ihre Kräfte dort zu sammeln, die ver¬ 
minderten Stände zu ergänzen und Munition und Ausrüstung heranzuziehen. 
Mit diesen Befehlen ries G. d. I. Conrad nach vierwöchigen, außerordentlich 
anstrengenden Operationen das k. u. k. Heer im Wesen wieder in jene Grund¬ 
stellungen zurück, die es vor der Oktoberoffensive innegehabt hatte -. 
Durch glänzende Gegenstöße bei Nisko und bei Iaroslau machte sich die 
k. u. k. 4. Armee am San einigermaßen Lust und lenkte ihren Rückzug am rechten 
1 Pitreich, Der öst.-ung. Bundesgenosse im Sperrfeuer, 146. 
2 Österreich-Ungarns Letzter Krieg, I., 501. 
148
	        
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