Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band I (I. / 1937)

Rückblick über die Sommerschlachten 
Die Sommerschlachten mit ihren gewaltigen Ausmaßen waren zu Ende. In den 
Augustschlachten stürzten alle öst.-ung. Armeen gleich wilden Stieren aus ihren 
Zwingern in die Riesenarena zwischen Weichsel und Dniester. Sie mußten für ein 
Kampfverfahren, das fein Heil in einer an allen Fronten entbrennenden Offensive 
suchte, schwer büßen. In den Septemberschlachten aber fanden sich Angriff und 
Verteidigung schon schwesterlich nebeneinander. Die Erfahrungen des Sommerfeld- 
zuges hatten schwere Bresche geschlagen in all das, was Truppe und Führung an 
Friedensausbildung besaßen. Ob wohl Zeit und Möglichkeit sich finden würden, 
an Stelle so manches über Nacht Umgeworfenen Neues zu setzen? 
Es war eine merkwürdige Schicksalsfügung, daß nahezu während der gleichen 
Tage und Nächte das bisher so siegreich vorgedrungene Heer des Bundesgenossen 
im fernen Westen einer ähnlichen Lage gegenüberstand wie nun die k. u. k. Wehr¬ 
macht nach der zweiten Lemberger Schlacht. Nur stand das Aufgeben der Schlacht 
an der Marne erwiesenermaßen nicht im Zeichen eines so unmittelbaren Zwanges 
wie an der Ostfront. Manches hätte sich in der Zukunft anders entwickelt, wenn 
die Heeresführung im Westen jene starken Nerven bewahrt hätte, wie sie der Feld¬ 
herr im Osten, seinen Truppen stets das Äußerste an Leistungsfähigkeit zumutend, 
erwiesen hatte. 
Gleich wie im Osten hatte auch im Westen der erste Feldzug der Mittelmächte 
mit der Preisgabe der Walstatt an den Feind geendet. Nur dem kleinen deutschen 
Ostheer unter der Führung des Zweigestirns Hindenburg-Ludendorff war das 
Kriegsglück treu geblieben. Nachdem es in den letzten Augusttagen bei Tannenberg 
die russische Narew-Armee vernichtend geschlagen hatte, war es nun daran, in 
Masuren auch mit Rennenkampss Streitkräften abzurechnen, die sich schließlich 
zwischen dem 12. und 14. September nur mit knapper Not durch überstürzte Flucht 
dem Schicksale der Besiegten von Tannenberg entziehen konnten. 
Am 11. September betrug die Stärke der k. u. k. Streitkräfte auf dem nordöstlichen 
Kriegsschauplätze einschließlich der deutschen Landwehrkorps, aber ohne Festungsbesatzungen, 
Karpathensicherung, Etappentruppen und „zweite" Marschbataillone: 770 Bataillone, 356 Schwa¬ 
dronen und 377 Batterien mit 2098 Geschützen. 
Die russische Südwestfront zählte in denselben Stunden, gleichfalls ohne Festungsbesatzungen 
und Etappentruppen, 824 Bataillone (Feld- und Reservedivisionen), 694 Schwadronen und 
2888 Geschütze. 
Die Überlegenheit der Russen um 800 Geschütze springt ins Auge; sie war in der Tat 
ausschlaggebend. Weniger ins Gewicht fiel wohl die Überlegenheit an Infanterie (54 Bataillone) 
und die fast doppelte an Kavallerie (338 Schwadronen), wobei freilich zu bedenken ist, daß 
sich unter den 770 auf öst.-ung. Seite gezählten Bataillonen 257 zweiter Linie befanden 
(Landsturm-, Marsch- und deutsche Landwehrbataillone) und daß die Streiterstärken der Russen 
durchschnittlich doch etwas größer waren als die bei ihrem Gegner. 
Zwischen Rawa Ruska und dem Dniester standen am 11. September auf öst.-ung. Seite, 
die Erzherzoggruppe nicht mitgerechnet, 454 Bataillone, 124 Schwadronen und 213 Batterien 
mit 1232 Geschützen im Kampfe den 352 Bataillonen, 267 Schwadronen und 1262 Geschützen 
der Armeen Rußkis und Brussilows gegenüber. Die infanteristifche Überlegenheit der k. u k. 
Armeen um 100 Bataillone ist aber nicht besonders hoch zu werten, da von den 454 öst.-ung. 
Bataillonen 108 der zweiten Linie angehörten. Bei den Armeen Böhm-Ermolli und Boroevic 
machten sich überdies die moralischen Folgen der Augustschlachten geltend. Auch hervorragende 
Regimenter hatten sich von den Eindrücken nicht erholt, die der oftmals nicht einheitlich 
geführte, an bitteren Überraschungen reiche Kampf gegen einen kriegserfahrenen, auf manchen 
Gefechtsfeldern nach Stärke und Artillerie erdrückend überlegenen, methodisch, aber ziel¬ 
bewußt geführten Feind zurückgelassen hatte. Wie sich diese Truppen dennoch den Russen 
schließlich überlegen fühlten, beweist die Tatsache, daß sie und ihre Führer, als am 11. September 
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