Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

68 Der Feldzug im Osten vom 14. No v. 1915 bis 31. Aug. 1916 
die Nerven und warf die Reserven Lals über Kopf ins Getümmel, das 
sie verschlang. Gegen Abend flutete alles in der Richtung auf Luzk zurück. 
Der Geist war schwach geworden, der letzte Lalt zerbrach, in Auflösung 
geratend, räumte die Armee des Erzherzogs das Feld. Der Erzherzog hatte 
die Meldung, daß der Feind abgeschlagen sei, nach Teschen weitergegeben, 
und saß noch an der Tafel, als Szurmay plötzlich dringend um Einsatz der 
Armeereserve bat. Josef Ferdinand siel in den Fehler seiner Korpsgenerale, 
verlor den Kopf und warf seine Reservebrigaden in die rückwärts flutenden 
Massen. Er sah sie nicht mehr wieder. Der Russe brach in der Nacht auf 
Luzk durch und zersprengte die 4. Armee. Tausende und aber Tausende 
streckren die Waffen. Der Erzherzog flüchtete gen Kowel. Am 5. Juni fielen 
die letzten Stützpunkte. Die Front der 4. Armee war aus der großen Wehr- 
stellung herausgebrochen. 
Die 1. Armee vermochte dieser Katastrophe nicht zu begegnen. Pu- 
hallos linker Flügel verlor den Lalt und wurde in den Strudel hineingeriffen. 
Mit Mühe gelang es Puhallo an der Jkwa eine Verteidigungsflanke zu 
bilden. Auch Linsingen geriet in Gefahr. Er sah sich plötzlich rechts um¬ 
gangen, sing aber den Stoß am Styr ab und raffte alles zusammen, was er 
in der Front entbehren konnte, um das Loch zu stopfen, das den Russen den 
Weg nach Kowel und Brody freigab. Am 5. Juni setzte Kaledins Kavallerie 
mit fliegenden Standarten über den Styr. 
An diesem Tage wurde die österreichische Front von einem neuen Schlag 
getroffen. Leschitzki warf das Korps Benigni nach zweitägigen Kämpfen 
aus seinen Gräben und drang durch die Bresche von Okna 5 Kilometer tief 
in die Front Pflanzer-B alüns. Die 7. Armee drohte auseinanderzubrechen. 
Pflanzer-Baltins linker Flügel wurde von den südlich des Stromes fechten¬ 
den Teilen der Armee getrennt. Auch der Führer der 7. Armee verlor den 
Überblick über die Lage, auch ihm schwanden die Reserven unter den 
Länden. Er war noch mit dem Stopfen der Oknaer Lücke beschäftigt, als 
die Russen zu einem dritten Schlag ausholten. Scherbatschew fiel den 
Nordflügel, das VT. und XIII. Korps der Österreicher auf dem Nordufer 
des Stromes zwischen Buczaez und Jaglowiec so wuchtig an, daß am 
6. Juni auch hier der Riegel sprang. Anter schweren Verlusten wich 
Pflanzer-B altins linker Flügel über die Strypa. Dadurch geriet Both- 
mers rechte Flanke in Gefahr. Das ganze strategische Baugerüst der Ost¬ 
front begann zu wanken. Die Festung Mitteleuropa, vor deren Toren vor 
wenigen Tagen um den Sieg gekämpft wurde, schien vom Einsturz bedroht. 
In der Tat war binnen drei Tagen Entscheidendes geschehen. Bruffi- 
low hatte die österreichisch-ungarische Front bei Okna und Olyka an zwei 
wichtigen strategischen Punkten durchbrochen und im Raume Luzk eine 
feindliche Armee zur Lälfte vernichtet. Wo er durchgedrungen war, hatte 
er ansehnliche Verluste erlitten, wo er zurückgeschlagen worden war, sehr
	        
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