Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Wilsons „dritte Note" und Ludendorffs Abgang 653 
werden müsse, schien doch das Waffenstillstandsgesuch das Eingeständnis 
einzuschließen, daß dieÄeeresleitung denKrieg nicht nur verloren gab, sondern 
auch die Befürchtung hegte, iin Felde jeden Augenblick in eure vernichtende 
Katastrophe verwickelt zu werden. Die deutsche Staatsleitung teilte daher 
dem Präsidenten der Vereinigten Staaten mit, daß sie die Vedinguirgen 
annehme, die Wilson an die Gewährung eines Waffenstillstandes knüpfe, 
und erklärte, daß die I7-Bootflotte Befehl erhalten habe, keine Passagier¬ 
schiffe mehr zu versenken. Da der Präsident in seiner Note vom 12. Oktober 
nicht nur darauf hingewiesen hatte, daß der I7-Vootkrieg ein Hindernis 
jeder Friedensvermittlung bilde, sondern auch erklärt harte, daß die Be¬ 
seitigung jeder auf Willlür beruhenden Macht, die nach eigenem Belieben 
den Frieden der Welt stören könne, eine grundlegende Friedensbedingung 
sei, antwortete die deutsche Regierung mit einem K inweis auf die Einführung 
der parlamentarischen Regierungsweise und schloß mit der Versicherung, 
daß das Friedens- und Waffenstillstandsangebot von einem Kabiirett aus¬ 
gehe, das von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß frei sei 
und von der Zustimnmng der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes 
getragen werde. Aber selbst das genügte Wilson nicht. Er erklärte sich zwar 
am 23. Oktober in einer dritten Note bereit, die Frage des Waffenstillstandes 
mit den Alliierten zu besprechen, gab aber zugleich zu erkennen, daß er die 
deutsche Staatsleitung noch nicht für eine Volkeregierung halte, da das deutsche 
Volk nach seiner Auffassung noch keineMittel habe. die Anterwerfung derMili- 
järbehörden unter den Volkswillen zu erzwingen, und da der beherrschende Eiir. 
fluß des Königs von Preußen auf die Reichsregierung ungeschwächt geblieben 
sei. Kälten die Vereinigten Staaten es mit den „militärischen Beherrschern 
und den monarchischen Autokraten Deutschlands" zu tun— schrieb Wilson—, 
so müsse er, statt Friedensverhandlungen zu führen, Übergabe verlangen. 
Diese Worte rüttelten an den Grundpfeilern des deutschen Kaiserreiches 
und stellten sich als der größte Eingriff von außen dar, der je einem Volke an- 
gesonnen wurde. Wilson rief das deutsche Volk gegen die Schöpfung Bis¬ 
marcks in die Schranken, indem er ihm den Ausblick auf Friedensverband¬ 
lungen eröffnete, wenn es sich von dem Kaisertum preußischen Ursprungs 
scheide. Prinz Max suchte der verhüllten Aufforderung auf Entthronung 
des Kaisers auszuweichen, indem er dem Präsideirten am 27. Oktober ant¬ 
wortete, baß die Verhandlungen von einer Volksregierung geführt würden, 
in deren Künden die entscheidenden Machtbefugnisse tatsächlich und ver¬ 
fassungsmäßig ruhten, und veranlaßte den Kaiser, Ludendorff seines Postens 
zu entheben. Aber weder der dem Monarchen auferlegte Entschluß, Luden¬ 
dorff zu entlassen, noch eine kaiserliche Kundgebung, die die Übertragung der 
grundlegenden Rechte auf das Volk bekräftigte und mit dem vom geschicht¬ 
lichen Augenblick zu tragischer Ironie gestalteten Satze schloß: „Das Kaiser¬ 
amt ist Dienst am Volke," konnten die Monarchie retten.
	        
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