Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

480 Der Feldzug im Westen vom 27.Mai bis 3.Dez. 1917 
als auf die Widerstandskraft des Leeres zu vertrauen, auf große strategische 
Pläne zu verzichten und den Schild vorzuhalten, bis der Schwertarm des 
Gegners ermattete. Die Divisionen, die sich um diese Zeit an der Düna 
zur Eroberung Rigas und der baltischen Inseln bereitstellten, die kleine 
Armee, die unter dem Befehle Otto v. Belows gen Italien zog, um den 
Kampf am Jsonzo zugunsten Österreichs zu entscheiden, die Iägerbataillone, 
die bei Monastir fochten und die deutschen Kontingente, die in Mesopotamien, 
Armenien und Syrien zerstreut im Felde lagen, fehlten damals bitter auf 
dem Lauptkriegsschauplatz, aber die Natur des gigantischen Krieges forderte 
von den Deutschen immer noch Allgegenwart auf den zum Kreis gebogenen 
Fronten und zwang sie, ihr Blut, wie von zentrifugalen Kräften fortge¬ 
schleudert, an den unendlich ausgedehnten Grenzen des kriegerischen Rund¬ 
theaters zu verspritzen. So wurde die Widerstandskraft der deutschen West- 
front im Lerbst des Jahres 1917 auf die schwerste Probe gestellt. 
Die Kämpfe vom 19. September bis 10. November 1917 
Sir Douglas Laig entschloß sich, seine Kraft wieder zu einem großen 
Schlachttag zusammenzufassen und das Äußerste aufzubieten, um einen 
räumlich begrenzten, aber um so gewisseren Erfolg davonzutragen. Er 
kehrte damit zur frontalen, örtlich gebundenen Kampfhandlung zurück und 
suchte keine strategischen Ziele mehr. Er wollte das deutsche Stellungssystem 
nicht mehr auf einen Schlag oder in zusammengesetzten Stößen durchbrechen, 
um zur Operation zu gelangen und die Deutschen zu umfassen und auf die flan¬ 
drische Küste zu werfen, sondern einfach ein Stück Boden erobern und töten 
und vernichten, was ihm auf dem Angriffsfeld an Streitern und Streit¬ 
mitteln entgegentrat. Statt sich die Linie Paschendaele—Becelaere zum 
Ziel zu nehmen, deren Besitz ihm gestattet hätte, den „Sack von Bpern" 
zu zerreißen und Ausblick in die Weite der flandrischen Ebene zu gewähren, 
beschränkte er sich darauf, auf der Karte durchschnittlich 1000 Ellen ab¬ 
zustecken und diesen Streifen zu überfluten. Englische, australische und süd¬ 
afrikanische Divisionen rückten in die Angriffsfront und harrten in guter 
Deckung, vom deutschen Feuer kaum gefaßt, auf den Befehl zum Sturm. 
Zahlreiche Fliegergeschwader erschienen im Angriffsraum und verdrängten 
die Deutschen aus der Luft, brachten indes selbst schwere Opfer. Über Poel- 
kappelle stürzte, ins Lerz geschossen, Frankreichs bester Kampfflieger Guy- 
nemer. 
Man schrieb den 19. September, als Laig das Zeichen zum Angriff 
gab. In der Nacht fiel Regen, aber am Morgen des 20. September hob 
sich der Lerbstnebel, und Gough schritt mit allen Waffengattungen zum 
Sturm. Anbekümmert um ihre Verluste brachen die englischen Divisionen
	        
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