Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

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Die strategische Lage im September 1917 
Besann sich der Brite auf die Wirklichkeit, so mußte er jetzt zur Er¬ 
kenntnis kommen, daß die Hoffnung, den Deutschen ohne Amerikas Waffen¬ 
hilfe niederzuringen, in der blutgedüngten flandrischen Erde begraben lag. 
Es war Englands schlimmste Stunde. Der I7-Bootkrieg hatte zwar die 
Aushungerung des Inselreiches nicht vollendet, entzog aber der britischen 
Feldarmee viele kostbaren Kräfte und nötigte das Mutterland zu Entbeh¬ 
rungen. Der Frachtenraum verringerte sich so, daß deutsche Blockade- 
brecher, wie die „Möwe" des Grafen Dohna und der „Wolf" des Kapitän 
Nerger, die aus der Nordsee in ferne Meere gelangten, die großen See¬ 
straßen verödet fanden. In Londoner Zirkeln wurden Friedenswünsche laut, 
fanden aber in den leitenden Kreisen kein Gehör. Lloyd George bestand 
auf der Auskämpsung des Krieges und der Durchführung der Schlacht in 
Flandern, und Sir Douglas Laig tat ihm Genüge. Er hielt den Feind 
durch Teilangriffe fest und rüstete zur Wiederaufnahme der Entscheidungs- 
schlacht. Das Mutterland sandte Verstärkungen, die Läsen von Calais, 
Boulogne, Dünkirchen, die Lager von St. Omer und Poperinghe füllten 
sich mit neuen Streitmitteln und frischen Streitern. 
Deutsche Kampf- und Bombengeschwader, die in den ersten Tagen des 
September Chatam, Sheerneß, Ramsgate, London, Margate und die 
englischen Ausschiffungshäfen auf dem Festland angriffen, brachten die 
Kunde von ungeheuren Rüstungen ins deutsche Lager. Die Deutschen sahen 
den drohenden Stürmen standhaft entgegen. Der Ausgang der August¬ 
schlachten erfüllte sie mit großer Zuversicht. Die Abwehr war stärker als 
der Angriff. Mehr als 200 Tanks lagen zerschossen vor den deutschen Linien, 
die deutsche Artillerie stand wieder ebenbürtig im Felde, die Fliegerwaffe 
war vermehrt worden und die Infanterie fühlte sich dem Feinde überlegen, 
wenn er ihr Mann gegen Mann gegenübertrat. Aber die Kämpfe forderten 
Blut und Eisen in unendlicher Fülle, und die deutsche Leeresleitung fragte 
sich im stillen mit banger Sorge, wie oft und wie lange der Engländer 
noch zu stürmen gedenke. Das centrum gravitatis des ganzen Krieges lag 
in der flandrischen Ecke verankert. Lier wurde das Schicksal des Feldzuges 
des Jahres 1917 entschieden. 
Die Eroberung Tarnopols und die zunehmende Entnervung der Russen 
konnten die Deutschen nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre eigenen Kräfte 
rascher schwanden als die der rings gelagerten Gegner. Da Österreich. 
Angarns Wehrmacht am Isonzo zu erliegen drohte, der Franzose.nicht 
müde wurde, kurze, scharfe Schläge gegen den linkenFlügel derdeutschenWest- 
front zu führen u d die Rumänen am Sereth noch stattliche Kräfte fesselten, 
konnte Ludendorff im L erbst des Jahres 1917 noch nicht daran denken, die 
deutsche Macht imWesten zum Angriff zu ballen. Es blieb ihm nichts übrige
	        
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