Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

448 Der Feldzug in Italien vom 22.Mai 1915 bis ZO.Dez. 1917 
gen Mersino enteilt, gibt sich nach kurzem Kampf gefangen. Auf der großen 
Talstraße, die zwischen Monte Mia und Monte Matajur auf den Natisone 
gen Cividale zieht, wird das wandernde Gefecht zur Verfolgung. General 
Lequis führt die 12. Division in Gewaltmärschen gen Azzida. 
Unterdessen rollt das Alpenkorps den ganzen Nordast des Kolowrat 
vom Levnik bis zum Monte Kuk, dem Lüter des Luikopasses, auf und 
wirft den entmutigten Feind auf Savogna. Die 200. Division unterläuft die 
Iezaschanzen, stürzt den Verteidiger mit dem Bajonett vom Rocchinsattel 
und scheucht ihn gen Obbenetto. Links von den alten Karpathenkämpfern 
erklimmt die 5. Division den Monte £>um, stürmen die Leibgrenadiere den 
Monte San Giovanni. Scottis Österreicher fegen den Globocak aus und 
zwingen den Feind zu überstürztem Rückzug auf San Leonardo. 
Der Nordflügel der italienischen Jsonzofront, der am 24. Oktober 
auf seine letzten Stützpunkte gewichen war, bricht am 25. Oktober aus Last 
und Rahmen. 
Zerschmetternde Kunde dringt an Capellos Ohren. Die ganze Front 
vom Canin bis zur Korada ist eingestürzt, verriegelte Talzüge, befestigte 
Gipfel sind gefallen, ein mit allen Mitteln der Technik ausgestattetes Ver¬ 
teidigungssystem liegt in Trümmern. Der Feind steht auf dem Stol, auf dem 
Matajur und auf dem Kolowrat und schaut in die leuchtenden Täler Friauls. 
Vis zum Tagliamento reicht der strategische Blick. Alles, was von 90 italie¬ 
nischen Bataillonen noch übrig ist, flüchtet gen Azzida und Tarcento. Es 
ist kaum ein Drittel des Bestandes, denn 23000 Mann und 200 Geschütze 
sind in Feindeshand, und Tausende irren noch versprengt hinter dem ziel¬ 
bewußt stürmenden Feind, der die Divisionen des zweiten Treffens an die 
Spitze reißt, um die Linie Resiutta—Tarcento—Cividale zu durchbrechen. 
Da entsinkt dem italienischen General der Kommandostab. Der Führer 
der 2. Armee, der am 24. Oktober auf der Lochfläche von Vainsizza noch 
zu siegen glaubte, sieht sich am 25. Oktober gezwungen, das linke Isonzo- 
ufer Lals über Kopf zu räumen und 9 Divisionen mit 600 Geschützen vor 
drohender Amfassung zu retten. Cadorna urteilt kühler. Er hofft in der 
Linie Gemona—Monte Zuanez—Korada—Sabotino eine große Verteidi- 
gungsflanke bilden zu können und fordert Capello auf zu handeln, aber 
Capello weiß sich nicht mehr zu helfen. Die Zertrümmerung seines linken 
Flügels, die Gefährdung seines Rückzuges und das Abreißen aller Ver¬ 
bindungslinien mit den geschlagenen Korps stürzen ihn in grenzenlose Ver¬ 
wirrung. Vom kimbrischen Schrecken erfaßt, läßt er die Zügel der Befehls- 
gewalt fallen und birgt sich hinter Cadornas Rücken. Cadorna leitet in 
der Nacht auf den 26. Oktober den Rückzug ein. Er sucht Anlehnung an 
die Korada und den Monte Santo und gibt die teuer erkaufte Lochfläche 
von Bainsizza preis. Boroevics rechter Flügel drängt dem Feinde sofort 
nach und reicht Scotti am Fuße der Korada die Land.
	        
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