Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

308 Die allgemeine politische Lage um die Jahreswende 1916 
pheten Rache für die erduldete Not und Triumph über den Vernichtungs¬ 
willen des Feindes versprach. Da Wilson noch zwei Monate zögerte, bis 
er sich zum Eintritt in den Krieg bekannte, und die Proteste der kleineren 
Neutralen gegen die Handelssperre keine Folgen nach sich zogen, wandte 
sich die Aufmerksamkeit des deutschen Volkes in den ersten Monaten ganz 
den Versenkungsziffern zu, die von der Marine veröffentlicht wurden und 
den Anschein erweckten, als könnte Englands Handelsflotte binnen wenigen 
Monaten ausgetilgt und England dadurch zu Friedensschritten genötigt 
werden. Die strategische Offensive war an die Seekriegführung überge¬ 
gangen. Der Krieg wurde zum Vernichtungskampf. Von jetzt an konnte 
der Friede von Deutschland und seinen Verbündeten Land in Land auf 
diplomatischem Wege nur noch dann mit Aussicht auf einen Vergleich ge¬ 
sucht werden, wenn die Abwehr zu Lande und der Angriff unter Wasser 
so glänzende Erfolge erzielten, daß der erschöpfte Feind am Sieg ver¬ 
zweifelte, England der Erdrosselung erlag und Woodrow Wilson sich 
wieder auf sein Mittleramt besann. 
War das möglich? Ja, es war möglich, wenn außerordentliche Glücks¬ 
umstände eintraten. Es galt dem Kriege den Charakter des Verteidigungs- 
krieges zu erhalten, die Kräfte zu sammeln, auf dem strategischen Schach¬ 
brett den Angriff in die Schwächen des Gegners zu tragen und Feld um 
Feld abzuräumen, so daß der Dreiftontenkrieg sich in ein siegreiches Ringen 
auf einer Front verwandelte, bevor das amerikanische Leer zur Stelle sein 
konnte und bevor die Bundesgenossen unter der Last des Krieges zusammen¬ 
brachen und die Kraft des deutschen Volkes verzehtt war. 
England stand am 1. Februar 1917 vor einer verändetten Lage. Es 
wurde zum Lauptträger des Kriegsrisikos und des Krieges. Der Brite 
wußte, daß er der Bedrohung nicht weichen durste, sondern den Krieg bis 
zur letzten Tonne Schiffsraum auskämpfen mußte. Machte er vorher Friede, 
so war es um seine Seeherrschaft geschehen und Großbritannien des Im¬ 
periums beraubt. Der Krieg wurde für England aus dem Kampf um die 
Macht und die Seeherrschaft zum Kampf um Sein oder Nichtsein. Eng¬ 
land war daher entschlossen, nicht nur bis zur letzten Tonne eigenen Schiffs¬ 
raumes zu kämpfen, sondern den Frachtraum der ganzen Welt in seinen 
und seiner Bundesgenossen Dienst zu pressen. Amerikas Bruch mit Deutsch¬ 
land schlug hiezu die Bahn frei. 
So stand Deutschland, auf dessen Schultern die Lauptlast des. Land¬ 
krieges und die ganze Last des I7-Bootkrieges ruhte, vor einer Aufgabe 
von weltumfassender Tragweite und überwältigender Größe. Am so bren¬ 
nender war die Frage, ob es zu einem Anternehmen gerüstet war, das alle 
Grenzen der Vorstellung sprengte und neue Weltverhältnisse schuf. 
Als der I7-Bootkrieg eröffnet wurde, schwammen in der Nordsee 57, 
im Kanal 38 und im Mittelmeer 31 große und kleine Boote. Das war alles.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.