Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Die Antworten der Mächte 
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politischen Denken des Abendlandes geöffnet hatte. In Schweden, in Spanien, 
in Lolland, in der Schweiz und im fernen Argentinien lebten Sympathien, 
die sich trotz der politischen Fehlgriffe der deutschen Staatskunst, trotz der 
starken Wort- und Gebärdensprache des deutschen Kaisers, trotz des Aus¬ 
breitungsdranges der deutschen Wirtschaft in voller Reinheit erhielten und 
im Laufe des Krieges zu wahrem Mitleiden kristallisietten; aber sie blieben 
zur Ohnmacht verurteilt. 
Im Lager der Gegner lebte keine Erinnerung mehr an Deutschlands 
Sendung. Sie bekämpften nicht nur das politische Gebilde Wilhelms II., 
sondern auch den deutschen Geist. Das war nicht neu. Als Napoleon das 
Königreich Lolland zu Frankreich schlug, um „neue Bürgschaften" gegen 
England zu erlangen, schrieb er seinem Bruder Ludwig: ,J’aurais con¬ 
sidéré le trône de Hollande comme un piédestal sur lequel j’aurais 
étendu Hambourg, Osnabrück et une partie du nord de l’Allemagne, 
puisque c’eut été un noyau de peuples qui eût dépaysé davantage 
l’esprit allemand, ce qui est le premier but de ma politique.“ Dieses 
„dépayser l’esprit allemand“, das Entwurzeln des deutschen Geistes, 
war das vornehmste Ziel der Westmächte. England erwürgte den Rivalen 
auf dem Weltmarkt, der sich in Flandern des napoleonischen Sprungbrettes 
bemächtigt hatte, um den Kampf um die Macht durchzufechten, Frankreich 
drängte wie seit Jahrhundetten wieder gegen den Rhein, um nicht nur Elsaß- 
Lothringen zurückzuerobern, sondern auch das Saarland, die einst von ihm 
verwüstete Pfalz, Mainz und Koblenz in seine Gewalt zu bringen und dem 
Rheinbund neues Leben einzuhauchen. 
Von all dem vernahm Wilson nichts, obwohl es in der Antwort der 
Entente auf seine Friedensbotschaft deutlich geschrieben stand. Er forschte 
auch in der deutschen Erwiderung nur nach Linweisen auf sein Völkerbunds¬ 
ideal, nicht nach deutscher Rechtfettigung. Deutschlands Kampf nötigte 
ihm kein geschichtliches, kein tieferes menschliches Interesse ab. Er stand über 
diesen Dingen, glaubte damals noch hoch darüber zu stehen und suchte 
für seinen dottrinären Idealismus Weg und Ziel. 
Nein, Deutschlands Erwiderung tat keine Wirkung mehr. Sie rief 
den Daseinskampf als solchen nur dem eigenen Volk mit, ach, zu schwachen 
Motten in Erinnerung. Der Federkampf war Deutschlands Stärke nicht. 
Es schlug wie der todwunde Siegfried strauchelnd mit dem ungefügen Schild 
auf den Gegner ein, der ihm frohlockend den scharfen Speer in die bekreuzte 
Weiche gestoßen hatte. 
Nachdem die Entente sich für die Fottsetzung des Krieges bis zur Ver¬ 
nichtung Deutschlands entschieden, Deutschland sich ohne Angabe seiner Be¬ 
dingungen nur zu Verhandlungen mit den Gegnern selbst bereit erklätt hatte, 
war von Wilsons Friedensvermittlung nur noch wenig zu hoffen, wenn der 
Präsident nicht Willens war, seine Macht zu gebrauchen, aus der Neutralität
	        
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