Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Vierter Band. (4 ; 1921)

Die allgemeine Lage im Januar 1916 
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Rochaden gestattete, und der Gedanke, die angesammelte Stoßkraft zu ge¬ 
meinsamem Schulterstoß zu benützen, um den deutschen Frontbogen einzu¬ 
drücken. 
Auch die Russen sammelten neue Kräfte zum Angriff. Wohl waren 
sie schwer geschlagen und aus Polen und Galizien geworfen, aber sie waren 
der Amfassung entgangen. Die Zurücknahme ihrer Front hatte ihnen er¬ 
laubt, sich ihren Kraftquellen zu nähern, und Deutschlands Verzicht auf 
Fortsetzung des Angriffs hatte ihnen gestattet, ihre gewaltigen Menschen- 
und Materialverluste zum größten Teile zu ersetzen. 
Alle amerikanischen und japanischen Fabriken arbeiteten planmäßig für 
die Entente und stellten unter Mitwirkung französischer Techniker Geschütze, 
Geschosse und Gase her, um die Leere im Osten und Westen zu Durchbruchs¬ 
schlachten größten Stils auszurüsten. Latte man doch erkannt, daß die 
Entartung des Krieges, dieses Ausharren in ausgedehnten Grabenstellungen, 
eine ins ungemessene gesteigerte Äberlegenheit an Material forderte, um 
des Gegners Lerr zu werden. 
Die deutsche Leeresleitung war vor ungleich schwierigere Aufgaben 
und Entscheidungen gestellt als die Feldherren der Entente. Sie nährte 
falsche Loffnungen, wenn sie annahm, daß der Ostfeldzug des Jahres 1915 
genügt habe, Rußlands Wehrmacht und Stoßkraft zu lähmen. Gab Falken¬ 
hayn sich mit den Erfolgen von Gorlice—Tarnow und ihren Nachfrüchten 
zufrieden, in der Meinung, daß die gesteckten Ziele erreicht worden seien, 
so befand er sich in einem doppelten Irrtum. Konnte doch selbst dieLähmung 
der Stoßkraft Rußlands nicht mehr als strategische Zielsetzung gelten, nach¬ 
dem der ursprüngliche, entscheidend gedachte Angriffsfeldzug im Westen 
an der Marne angehalten und gescheitert war und man sich daraufhin mit 
allen verfügbaren Kräften nach Osten gewandt hatte, um nun hier zu siegen. 
Im Osten sich mir einer „Lähmung" der Stoßkraft des Kolosses zu begnügen, 
hieß unter diesen Amständen nichts anderes, als den Zweifrontenkrieg als 
solchen in seiner drohenden Gestalt bestehen lassen. Die Ausräumung des 
serbischen Korridors änderte daran zugunsten Deutschlands nichts, denn die 
Festsetzung des Gegners in Saloniki und die Blockierung der Mittelmeer¬ 
küsten nahmen diesem Sieg über Serbien die letzte entscheidende Wirkung. 
Die russische Armee aber hatte sich im Lerbst am Stochod und an der Strypa 
so gut geschlagen und die Sicherung der Akraine sowie die Anlehnung an 
die runlänische Grenze so zweckbewußt wahrgenommen, daß man schon im 
Winter mit Rußlands Wiedererstarkung rechnen mußte. Wurde die russische 
Macht in die Lage versetzt, von dieser Erstarkung im Sommer 1916 Gebrauch 
zu machen und aus den Brückenköpfen Riga, Dünaburg, Postawy, Rowno, 
Tarnopol, zu Angriffen überzugehen, so war die Blutarbeit des Jahres 1915 
trotz der Eroberung der Weichsellinie, nahezu vergeblich gewesen. Das 
war um so gefährlicher, als Osterreich-Angarns Leereskraft im Jahre 1915
	        
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