Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

48 Der Seekrieg vom 2. August 1914 bis 24. Februar 1915 
„Emden" raten. Er kommt näher, nur noch tausend Meter Wasser liegen 
zwischen ihm und „Iemtschug", da stößt er plötzlich schwarzen Rauch in den 
erglühenden Morgenhimmel, reißt ein Flaggentuch hoch, das wie ein Ball 
am Mast emporfährt, und löst das Geschütz. Ein scharfer Schuß fegt über den 
Russen weg und die Flagge entfaltet die deutschen Farben. Die russische 
Wache sieht den vierten Schlot des Angreifers schwanken, wie wenn er aus 
Segeltuch aufgesetzt wäre, und „Emden!" schreit der Wachoffizier und springt 
auf die Brücke — zu spät, schon wirbelt die Blasenbahn eines deutschen Tor- 
pedos im trägen Lafenwaffer. Das Geschoß trifft „Iemtschugs" Mittelschiff, 
reißt den Boden auf und dringt tief in die Maschine. Ein kurzes, ver¬ 
zweifeltes Gefecht, ein zweiter Torpedoschuß, und „Iemtschug" sinkt auf den 
Grund. Kapitän Sipaillo und 85 Mann erleiden den Tod. „Emden" rauscht 
aus dem Lasen. Linter ihm fallen noch ein paar Schüsse, die der versteckt lie¬ 
gende Zerstörer „d'Zbreville" abfeuert, aber sie treffen nicht, der kecke Kreuzer 
trägt sogar seinen künstlichen vierten Kamin unverletzt aus dem Gefecht... 
Es war ern tolles Wagestück. Kapitän v. Müller hatte die Sundastraße 
durchlaufen und war im Vertrauen auf seine Ähnlichkeit mit „Barmouth" 
keck in die Malakkastraße eingedrungen, um Penang zu überfallen, wo er 
einen britischen oder französischen Kreuzer zu finden hoffte. Da nur „Iem¬ 
tschug" zur Stelle war und „d'Zbreville" hinter einem Vorsprung versteckt 
lag, mußte der Russe für Briten und Franzosen büßen. 
Doch der Kampf ist noch nicht zu Ende. „Emden" ist eben aus dem 
Sund ins freie Wasser gelangt, als am farbigen, von Morgendünsten schil¬ 
lernden Lorizont ein zweites Kriegsfahrzeug auftaucht. Es scheint größer, 
als es in Wirklichkeit ist, und entpuppt sich als der französische Zerstörer 
„Mousquet", der von einer dreitägigen Streife zurückkehrt. ' 
Der Franzose hält „Emden" für einen Bundesgenossen, zieht die 
Trikolore auf und wartet auf das Erkennungssignal des vermeintlichen engli¬ 
schen Freundes. Da steigt auf dem Kreuzer wiederum die deutsche Kriegs¬ 
flagge, und eine Salve schlägt dicht hinter „Mousquet" ins Wasser. „Emden"! 
Der Franzose, ein altes Boot von 310 Tonnen, nimmt den Kampf ohne 
Besinnen auf, schießt, schleudert zwei Torpedos, sieht sein Deck gefegt, die 
Maschine getroffen, den Boden aufgerissen und beginnt zu sinken. Kom¬ 
mandant Theroinne läßt die Flagge wehen, bis das Boot kopfüber in die 
Tiefe taucht. „Emden" fischt einen Offizier und 29 Mann auf und ver¬ 
schwindet in einem Regensturm, der brausend von Sumatra gegen Malakka 
zieht. Das Geschwader des Admirals Geram, das von Longkong herbeieilt, 
um „Iemtschug" und „Mousquet" zu rächen, findet den Feind weder vor 
Penang noch in der Malakkastraße. Ein paar Tage später setzt „Emden" 
die französischen Gefangenen auf ein englisches Lastschiff und gibt sie frei, 
um den Kurs nach Süden zu nehmen und an der Südwestküste Sumatras 
entlang in die australischen Gewässer zu gelangen.
	        
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