Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

Die Belagerung Tsingtaus 
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ständig einschließen konnte. Er spannte einen Belagerungsgürtel zwischen 
der Bucht von Kiautschou und dem Chinesischen Meer aus, schnitt Tsingtau 
dadurch von der unmittelbaren Verbindung mit dem chinesischen Festland 
ab und brachte das schwere Geschütz in Stellung. 
Der Verteidiger ging sofort zu handelnder Gegenwehr über und straffte 
alle Muskeln, um dem Feind die Eroberung der Landzunge zu erschweren. 
Er machte Ausfälle zu Wasser und zu Lande und suchte sich den Feind 
nröglichst lange vom Leibe zu halten. Ein einziges deutsches Flugzeug 
wachte im tiefblauen Äerbsthimmel über dem meerumspülten Tsingtau, er¬ 
kundete die Bewegungen der feindlichen Schiffe in den Buchten des Perl¬ 
gebirges und die Stellungen der in den Lauschanschluchten erstehenden 
Belagerungsbatterien und wies den Festungsgeschützen und den aus der 
Bucht durch Flankenfeuer wirkenden Rohren der Kreuzer „Kaiserin Elisa¬ 
beth" und „Jaguar" Ziel und Richtung. Die Überlegenheit der japani¬ 
schen Batterien, die von Tag zu Tag vermehrt wurden, machte sich rasch 
geltend. Eng und enger wurde der Belagerungsring. Sparsamer feuerten 
die deutschen Geschütze, die Schießvorräte der Festung begannen zu 
schwinden. 
Ms es Oktober geworden war, stand Kamio dicht vor dem Drahthindernis 
des Platzes und setzte zum Sturm an. Aber noch war die deutsche Abwehr 
nicht am Ende ihrer Kraft. Der erste gewaltsame Angriff zu Lande wurde 
abgeschlagen und Katos Geschwader, das sich zu nahe herangewagt hatte, 
mit Verlusten abgewiesen. Das Linienschiff „Triumpf" erhielt einen Weit¬ 
treffer, der das Deck durchschlug und den Engländer kampfunfähig machte. 
Es schlepte sich schwer beschädigt nach Yokohama. In der Nacht des 
17. Oktober unternahm das Torpedoboot 8 90 einen Ausfall, schlich sich 
durch die japanische Postenkette und bereitete dem Kreuzer „Takaschiho" 
den Llntergang, um sich dann, von Tsingtau abgeschnitten, an die süd- 
chinesische Küste durchzuschlagen. Zu Lande nahm der Kamps in den letzten 
Tagen des Oktober die Gestalt eines verzweifelten Ringens um die befestigten 
Äügelstellungen auf dem Lauschangebirge an. Am 29. Oktober stand Kamios 
Sturminfanterie hart vor den Zugängen der letzten Verteidigungslinie. 
Am 30. Oktober erfolgte ein allgemeiner Angriff. Sämtliche japanische 
Batterien und Kriegsschiffe eröffneten das Feuer und warfen Geschosse 
von 28 und 30,5 Zentimeter Kaliber auf die Küstenforts, die Werke auf den 
Äugeln, die Kasernen und die Äafenanlagen. Sie zerstörten die Infanterie- 
werke, fegten das Drahthindernis weg und steckten die Petroleumbehälter 
in Brand. Es war der Auftakt zum Sturm, der auf den 31. Oktober, 
den Geburtstag des Mikado, festgesetzt war. Am Abend rückten die Sturm¬ 
kolonnen zusammen. 6000 Samurais hatten geschworen, dem Mikado 
Tsingtau als Geburtstagsgeschenk zu Füßen zu legen. Doch als sie in der 
Nacht mit Todesverachtung anliefen, standen die Deutschen hinter aus¬
	        
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