Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

440 Der Balkanfeldzug vom 28. Juli 1914 bis 25. Jan. 1916 
maßen vor dem Lauptgraben der serbischen Zentralstellung, die sich auf das 
strategische Dreieck Arangjelovac—Kragujevac—Cacak und das ragende 
Rudnikgebirge stützte und die Zugänge zu den Moravatälern und dem Innern 
Serbiens verschloß und beherrschte. Überschritten die Österreicher die Kolu¬ 
bara, so war das nach Norden blickende Belgrad verloren, drangen sie 
von Azice gen Cacak vor und ins Moravatal ein, so hoben sie Arangjelovac 
aus den Angeln und zwangen die Serben, mit verwandter Front zu schlagen. 
Von solchen Aussichten gelockt, entschloß sich der österreichische Feldherr, 
trotz des Mangels an Verstärkungen den Serben an der Kolubara eine Ent¬ 
scheidungsschlacht zu bieten und den Angriff durchzuführen. Die Österreicher 
hatten schwer gelitten und kämpften weit von ihren Kraftquellen entfernt, 
in weglosem, verwüstetem Lande, gaben sich aber am 16. November 1914 
großen Hoffnungen hin. So großen, daß Potiorek alles aus einen Wurf 
stellte, um den geschlagenen Feind aus eigener Kraft zu überwältigen. Man 
zweifelte in Wien so wenig am Erfolg, daß man darauf verzichtete, die Lücken 
zu füllen, die die unaufhörlichen Kämpfe in den Verband der Balkanstreit¬ 
kräfte gerissen hatten und den letzten Mann und das letzte Geschütz nach 
Galizien und Polen in Bewegung setzte. Dazu rieten zwingende Amstände, 
denn dort reiste in diesen Tagen zwischen Krakau und Lodz die Entscheidung 
im kürzesten und fesselndsten Bewegungsfeldzug des Weltkrieges, der wenige 
Tage später in der Niederwerfung der russischen Äauptarmee auf den 
polnischen Feldern gipfelte. 
Das fortreißende Siegesgesühl, das die Deutschen im August 1914 
über die Aisne ins Becken der Marne gelockt hatte, war auch in den Öster¬ 
reichern lebendig, als sie am 16. November 1914 den Vormarsch über die 
Kolubara antraten und den serbischen Stier an den Äörnern packten. 
Sie gehorchten zugleich einem strategischen Zwang, der ihnen nicht ge¬ 
stattete, in den ausgesetzten Stellungen zu verharren, aber nicht als Dilemma 
empfunden wurde, da man nicht mehr daran denken wollte, noch einmal 
hinter Save und Drina zurückzugehen, sondern sich gedrängt fühlte, den 
siegreichen Vormarsch durch die Eroberung Belgrads zu krönen. Potiorek 
wußte, daß seine Stellung im feindlichen Lande unhaltbar wurde, wenn er 
sich nicht der Eisenbahn Obrenovac—Baljevo bemächtigte und den Gegner 
aus Belgrad hinauswarf. Erst wenn das gelang, gewann er eine gesicherte 
Rochadelinie und einen festen, leistungsfähigen Stütz- und Verpflegungs¬ 
punkt. Dazu kam die Verlockung, Belgrad zu erobern und dem alten 
Kaiser zu Füßen zu legen. Der österreichische Feldherr trug sich nicht mit 
Bedenken, denn der Widerstand der Serben hatte in den letzten Tagen 
bedeutend nachgelassen; sie wichen rascher, gaben Gerät und Gefangene 
preis und waren ersichtlich von Kräften gekommen. Man glaubte daher 
im Zelte Potioreks etwas wagen, gewissermaßen doppelt marschieren und 
zwei Ziele zugleich verfolgen zu können.
	        
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