Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

Das politische Verhältnis Serbiens und Bulgariens 425 
treffen konnte. Als Bulgarien zu den Waffen griff, brach Rußlands 
schwer geschädigte Balkanpolitik, die seit dem Japanisch-Russischen Kriege 
wieder zur absoluten Dominante der russischen Staatskunst erhoben worden 
war, vollends zusammen. In den geheimen Sitzungen des serbischen wie des 
bulgarischen Parlamentes wurde Rußland verflucht und des Verrats 
geziehen, und als die Vertreter der Entente am 14. September 1915 in 
Sofia getrennt ausgefertigte Noten überreichten, um noch einmal zu ver¬ 
suchen, die serbischen und bulgarischen Ansprüche zu versöhnen und einen 
bulgarisch-serbischen Zusammenstoß zu verhindern, tat Rußland diesen 
Schritt nur gezwungen. Es wußte, daß es seine eigene Politik preisgegeben 
hatte und im Schlepptau der Westmächte lief, von deren Waffenhilfe es 
den Besitz Konstantinopels erwartete. 
Der Brand Brest-Litowsks beleuchtete die Zwangslage Rußlands 
greller, als seinen Bundesgenossen lieb war. Aber die bulgarische Regierung 
bedurfte dieses Feuerzeichens nicht mehr, um ihre Entscheidung zu treffen. 
Der Bund mit Deutschland und Österreich war bereits beschlossen, als Brest- 
Litowsk fiel. Man wußte in Sofia, daß das Kriegsgewitter sich schon an der 
serbischen Donau ballte und Mackensen im Begriff stand, sein Zelt vor 
Semendria aufzuschlagen. 
Die bulgarische Streitmacht war allmählich auf den Kriegsfuß gesetzt 
worden. Deutsche Offiziere, die noch vor wenigen Tagen in Polen gefochten 
hatten, begaben sich nach Bulgarien — unter ihnen der Stabschef des 
XXV. Reservekorps, Generalmajor v. Massow, der als Falkenhayns Ver¬ 
trauensmann aus dem Arwald von Vielowec herbeieilte — und das 
bulgarische Leer begann sich kriegsmäßig zu gliedern. 
Am 4. Oktober tat die Entente den letzten Schritt. Die Vertreter 
Rußlands, Frankreichs und Englands überreichten der Regierung Rados- 
lawow ein Altimatum, in dem ausgesprochen war, daß sie jede Serbien 
feindliche Handlung Bulgariens als gegen sich gerichtet betrachteten. Zu 
spät — die Würfel waren längst gefallen. Am 12. Oktober rief Zar Ferdi¬ 
nand die Vulgaren zum Kampf gegen „den treulosen Nachbar Serbien". 
Serbien war nicht gesonnen, sich aus Mazedonien verdrängen zu lassen, 
nachdem es im Londoner Geheimvertrag um die Adriaküste betrogen worden 
war. Es nahm den Zweifrontenkrieg auf sich und machte sich bereit, den 
Bulgaren mit starken Kräften entgegenzutreten, um ihnen den Vormarsch 
auf Nisch und Kumanovo so lange zu verwehren, bis französische und eng¬ 
lische Lilfe zur Stelle war und das Wardartal von Süden öffnete. Am 
die von Natur und Kriegskunst stark bewehrte Donau-, Save-und Drina¬ 
schranken trug der serbische Generalstab geringere Sorge, denn der Feldzugs- 
plan war seit Beginn des Krieges nur auf Verteidigung an Donau, Save 
und Drina gerichtet und hatte gute strategische Früchte getragen. Im 
Falle der Not war man entschlossen, Belgrad und die Macva abermals
	        
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