Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Dritter Band. (3 ; 1919)

264 Der Feldzug im Osten vom 14. Mai bis 7. Juli 1915 
dem Gedanken von Gorlice Gestalt gegeben und die Fahnen der Verbündeten 
wieder über die Karpathen und den San getragen hatte, von kräftigen, weit¬ 
blickenden Gegenmaßnahmen der russischen Leeresleitung beeinflußt. Der Gro߬ 
fürst gab sich weder geschlagen, noch fühlte er sich unter das Gesetz gebeugt, 
sondern hatte, unbekümmert um die erlittenen Niederlagen und die unersetz¬ 
lichen Verluste, an der Wisznia abermals Fuß gefaßt, dem Angriff Lin- 
fingens südlich des Dnjestrmooses Schranken gezogen und bestand hartnäckig 
auf der Durchführung des großen Flankenangriffs an Bistritz und Pruth. 
Es war für Conrad nicht leicht, in dieser Lage rasch den richtigen Ent¬ 
schluß zu finden, noch schwieriger, ihn in die Tat umzusetzen. Lielt Mackensen 
mit der 4., der 11. und 2. Armee allen Angriffen stand oder warf er gar 
den Feind auf Iaworow und Grodek, so reifte dem deutschen Feldherrn 
dort wohl ein neuer großer Sieg, aber dieser Sieg wurde um den strategischen 
Ertrag betrogen, wenn Leschitzki zur gleichen Zeit die Pruthfront durchbrach 
und siegreich auf dem Jablonikapaß und im Serethtal erschien. 
Sinnend mag Conrads Auge in dieser Stunde an der blaugeäderten 
Stelle des Meßblattes geheftet haben, die das Dnjestrmoos und die Wasser¬ 
läufe der Tysmienica, des Dnjestr, des Stryj und der Swica wiedergab. 
Lier kämpfte Linsingen zwischen Rozwadow und Zurawno um die Strom¬ 
übergänge und die Öffnung der Südflanke von Lemberg. Erstritt die Süd¬ 
armee in rücksichtslosem Angriff die Straße Mikolajow—Lemberg und 
Zydaczow—Chodorow, so brachen Iwanows Stellungen an der Wisznia 
zusammen, Grodek, Iaworow und die Wereszycalinie wurden in der Flanke 
bedroht und der Feind ins Bugbecken hinabgedrängt. Also schien alles 
auf rasche Ausnützung des Sieges gestellt, den Linsingen am 31. Mai bei 
Stryj erfochten hatte, zumal die Südarmee inzwischen in die große Flu߬ 
niederung eingedrungen war und sich auf der Verfolgung des geschlagenen 
Feindes bereits den Dnjestrbrückenköpfen Zydaczow, Rozwadow und Kolo- 
druby näherte. 
Trotzdem war an rasche Erfüllung dieses Planes nicht mehr zu denken, 
seit im österreichisch-ungarischen Feldlager die Meldung eingetroffen war, 
daß Leschitzki den Übergang über den Pruth erzwungen hatte und von 
Sadzawka kämpfend gegen die Pässe rückte. Wohl hatte Pflanzer-Baltin 
seinen linken Flügel sofort wieder zwischen der Bistritz und der Lomnica in 
Bewegung gesetzt, und suchte Leschitzkis Angriffskeil die Flanke abzugewinnen, 
aber Conrad erkannte, daß das nicht genügte, um die strategische Lage des 
Südflügels wiederherzustellen, denn dieser durfte selbst dann nicht hinter 
dem Pruth stehenbleiben, wenn er den Eingriff bei Sadzawka abdämmte, 
sondern mußte sich in jedem Falle näher an den Dnjestr heranschieben, um 
Linsingens offene rechte Flanke zu decken. Setzte die Südarmee über den 
Strom, bevor Stanislau und Kalucz wieder in österreichischen Länden 
waren, so drohte ihren rückwärtigen Verbindungen schwere Gefahr. Wie
	        
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