Volltext: Alpenkrieg

Stellen zerfetzt, die schweren Geschosse haben dem Schnee den 
Eingang verschafft. Draußen schnauben noch unter schützenden 
Decken die Pferde, die für uns durch Schneegräben herauf Nach— 
schub und Liebesgaben gezogen oder auf ihren Dulderrücken ge— 
tragen haben. 
Wir aber haben das kleine Fenster mit Stroh verstopft und 
stehen im Glanze der Weihnachtskerzen. Barhäuptig. Das flackernde 
Licht huscht über braune und graue Haare. Ein paar Worte über 
das Christfest, von unseren Kämpfen für die Heimat und von 
dem Frieden, den wir als Sieger angeboten. Und alle singen wir 
dann das Lied der einfachen Weihnachtsinbrunst „Stille Nacht, 
heilige Nacht“. Es ist vielleicht das lauterste Gebet, das in dieser 
Abendstunde zum winterkalten, ewigen Himmel dringt. 
„Betet, betet ein Kindergebet, 
Heimlich schon steigt's aus den Herzen. 
Das Christkind daheim durch die Straßen geht 
Und im Tannenbaum knistern die Kerzen, 
Heißwangig hockt horchend der Kinderschwarm, 
Und die Mutter sitzt singend am Flügel — 
Wir rühren uns nicht ... Die Büchse im Arm 
Und das schnuppernde Roß am Zügel.“ 
Die Gaben werden verteilt: Zigaretten, Notizbücher, Blei— 
stifte, Karten, Bürsten, Tabak, Pfeifen. Bald ist die Feierstunde 
vorbei, die Kameraden draußen ganz nahe am Feinde werden ab— 
gelöst, damit auch sie der Weihnachtsfreude teilhaftig werden. 
Ein ähnliches Bild bei den anderen Zügen. Und selbst in 
jeder Feldwachhütte hinter schneebegrabenem Drahtverhau ein 
winziges Lichterbäumchen, das den Horchposten in ihren Ruhe— 
stunden die Seelen durchsonnt. Kein Nachlassen gibt es in der 
Aufmerksamkeit. Trutzige Augen starren im Halbdunkel, im röt⸗ 
lichen Lichte schwebender Leuchtraketen hinüber aufs feindliche 
Drahtgehege. Mag mancher Windhauch das Johlen welscher 
Unterhaltung herübertragen — wir trauen dir nicht, Kain, unter 
den Menschenbrüdern.. 
An Miitternacht versammeln wir uns in einer kleinen Wald— 
lichtung zweitausend Schritte vor dem Feinde. Schwarzragende 
—* 
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