Volltext: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Zweiter Band. (2, 1917)

Die Auswirkung des Zusammenbruchs der russischen Offensive 337 
Dieser Grundsatz verlangte von ihnen im Westen und im Südosten das 
Verharren in der Verteidigung. Im Westen hatte man am 15. November 
daraus die strengen Folgerungen gezogen und das Gesetz anerkannt, das 
dem Schwächeren der Zweifrontenkrieg auferlegte, im Süden, auf dem serbi¬ 
schen Kriegstheater, war dies noch nicht der Fall. Als die Schlachten in 
Polen noch mit schwerer Verstrickung drohten, rückte die österreichisch¬ 
ungarische Armee, die gegen Serbien und Montenegro irn Felde lag, 
dem an den Stromschranken geschlagenen Gegner nach und drang durch 
die Macva auf Belgrad und Lazarewac vor. Da es nicht möglich war, ihnen 
Ersatz zu schicken, weil der letzte Mann und das letzte Pferd in Galizien und 
Polen gebraucht wurden, geriet sie in drangvolle Lage und sah sich in 
den letzten Novembertagen fernab von ihren Verbindungen dem Gegenstoß 
des rachesuchenden Feindes preisgegeben. Sie wurde über die Kolumbara 
zurückgeworfen und mußte über die Save und die Donau zurückgehen. 
Belgrad, das am 2. Dezember besetzt worden war, ging am 14. Dezember 
wieder verloren. Der serbische Feldzug war fürs erste gescheitert. Er war 
dazu verurteilt, da die in Serbien eingedrungenen Armeen ihre Reserven 
an das Nordheer hatten abgeben müssen. 
Dieser Mißerfolg wog schwer, wurde aber durch die Entscheidung, die 
in Polen und Galizien gefallen war, ausgeglichen und ging als Impromptu 
verloren, bis das Gesetz der Entwicklung sich gebieterisch geltend machte 
und den Krieg auf seine politischen Wurzeln zurückführte, indem es die 
ganze Balkanhalbinsel in die Waffenentscheidung Hineinriß. 
Der serbische Generalstab hatte den Belgrader Feldzug mit dem ver¬ 
zweifelten Trotz eines Mannes ausgefochten, der weiß, daß er ums Ganze 
kämpft, und trug an dem Tage, da der Großfürst seine Armeen zum Rückzug 
rufen mußte, seine Fahnen nach Belgrad. Der russische Generalstab dagegen 
war voller Siegesgewißheit und im Gefühl seiner Überlegenheit zu Felde 
gezogen, als er das neugegliederte Leer in den ersten Novembertagen von 
der Weichsel und dem San gegen Westen in Bewegung setzte. Diese Zu¬ 
versicht spricht aus einer Kundgebung der russischen Leeresleitung vom 
7. November, welche die Verkennung der strategischen Lage und die An¬ 
klarheit über die Absichten und die Stärke des Gegners erschreckend hervor¬ 
treten läßt. Es war ein Leeresbefehl, der die in Galizien und Polen er¬ 
rungenen Erfolge als einen großen Sieg feierte und daraus folgenden Schluß 
zog: „Dieser Sieg gestattet unseren Truppen, zur Durchführung neuer 
Aufgaben zu schreiten, welche die neue Kriegsperiode einleiten werden." 
An dem Tage, da General Januschkewitsch seinen Namen unter dieses 
Schriftstück setzte, war bereits die Bildung der 9. deutschen Armee erfolgt, 
ihre Versammlung im Raume Thorn nahezu abgeschlossen und der Plan 
eines allgemeinen Gegenangriffs der deutschen und österreichisch-ungarischen 
Streitkräfte in voller Ausführung begriffen. Schon wog Lindenburg der: 
Stegemanns Geschichte des Krieges. II. 22
	        
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