Volltext: Antwerpen 1914 [3] (Band 3/1925)

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Antwerpen 1914. 
erreichen sie sich voll und ganz eingesetzt hatten. Durch die Porte 
de Malines marschierte um 4Uhr nachmittags die Division ein 
und zog am Königlichen Schloß vor ihrem Kommandeur bis in 
die Dunkelheit hinein im Parademarsch vorüber. Deutsche Sol- 
daten marschierten nach den Klängen deutscher Lieder durch die 
Straßen der alten Handelsstadt, die ihre heutige Stellung zum 
großen Teil der mächtig aufgeblühten deutschen Großindustrie 
mit ihren zahlreichen Niederlagen verdankt, und in deren Hafen 
die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd be- 
sondere Anlegeplätze hatten. 
An diesem Tage aber war Antwerpen eine tote Stadt. Von 
den 260000 Einwohnern war ein großer Teil geflüchtet. Der 
Rest hatte sich in Kellern und Schlupfwinkeln aller Art versteckt, 
von wo er, außerordentlich stark eingeschüchtert, erst im Laufe der 
nächsten Tage nach und nach sich wieder an die Öffentlichkeit ge- 
traute. Das nur kurze Bombardement — zum Teil allerdings 
in die verkehrsreichste Gegend — hatte in Verbindung mit Zeppe- 
lin-Angrissen*) seine moralische Wirkung nicht verfehlt. Nicht 
minder wirksam war die verhetzende, gewissenlose Propaganda 
gewesen, die sich in Belgien nur allzu erfolgreich bemühte, die 
Deutschen als Barbaren rohester Art hinzustellen. Erhebliche Zer- 
störungen hatte nur die südliche Vorstadt Berchem erlitten, das 
Innere der Stadt war fast ganz verschont geblieben. Eine Zep- 
pelinbombe hatte das Hotel de l'Europe getroffen und in Brand 
gesetzt, von dessen Balkon einige Tage vorher noch König Albert 
zu den Bürgern der Stadt gesprochen hatte. 
Im ganzen sind 106 Häuser zerstört und wenige Hundert 
Menschen getötet worden. Bedauerlicherweise hat auch ein Zu- 
sallstreffer an der Kathedrale einige Beschädigungen verursacht, 
sonst aber haben Kunstdenkmäler nicht gelitten. Die berühmten 
Gemälde von Rubens „Aufrichtung des Kreuzes" und „Kreuz- 
abnähme" waren aus der Kathedrale ebenso wie andere wertvolle 
Kunstwerke rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden. In gleicher 
*) Zeppeline hatten bereits in den Nächten zum 25. 8. und 2. 9. Ant¬ 
werpen mit Bomben belegt.
	        
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