Volltext: Garde und Hannoveraner vom 28. bis 30. August [7B] (Band 7B II. Teil / 1925)

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an der Bahn südwestlich Colonfay. In der Mitternachtsstunde führt Major 
v. Tresckow seine Kompagnien bei fahlem Mondschein durch die Todes- 
einfamkeit der blutigen Wahlstatt. Die Schleier der Nacht verhüllen grau- 
sige Bilder. Nur die abseits aus dem Halbdunkel ans Ohr dringenden 
Schmerzensfchreie wie die qualvollen Rufe nach Wasser sind nicht zu über- 
hören. Aber völlige Ermattung wappnet die müden Männer mit mild- 
tätiger Stumpfheit gegen die erschütternden Eindrücke. Flackernder Lich- 
terschein gaukelt der aufgepeitschten Phantasie Gespenster vor, wo Sani- 
täter mit Fackeln nach Verwundeten suchen. Unterwegs erfrischt man sich 
an den Brunnen von Colonfay. wo erstickender Qualm die Gassen erfüllt. — 
Das 1. Garde-Regiment hatte sich im Biwak hinter der Stellung des Fü- 
filier-Bataillons größtenteils wieder vereinigt*). Der Kommandierende 
General, der es dort besuchte, erfuhr Ungewisses über Verwundung seines 
Sohnes und suchte ihn dann sorgeerfüllt vergeblich in langen Nachtstunden 
auf Verbandplätzen und in Feldlazaretten. 
Die Division v. Hutier hatte in heroischem Ansturm eine breite 
Front aus den Angeln gehoben und an dem bisher günstigen Schlacht- 
verlauf hervorragenden Anteil. Einheitlichen Nachstoß hatten widrige 
Umstände vereitelt. Kein greifbarer Erfolg, kein Höhepunkt krönte 
das harte Ringen. Die Truppe wurde sich der Größe ihrer Leistung 
nicht bewußt. Siegesstimmung kam nicht auf. Kein Hurra ertönte, noch 
stiegen, wie an dem ersten Siegesabend bei St. Gerard, die weihevollen 
Klänge des Chorals von Leuthen zum Sternenhimmel empor. Gab man 
schon wegen der Nähe des Feindes nur gedämpfte Kommandos, so wurde 
im Gedanken an die gefallenen Kameraden keine Äußerung der Freude 
laut. Mancher Totgeglaubte fand sich zwar wieder zur Korporalschaft, 
aber gewaltige Lücken blieben. Totmüde sank alles in bleiernen Schlaf. 
In der rauhen Prosa des Krieges schloß der ruhmvoll durchkämpfte Ehren- 
tag von Colonsay-le Sourd. Mit verklärtem Schimmer lebt er dennoch 
in der Erinnerung der Mitkämpfer. 
*) Eine Patrouille unter Vfw. Nüst der 12. Komp. war in der Dämmerung 
östlich an Nichaumont vorbei weit vorgestoßen, ohne etwas vom Feinde zu ent» 
decken. 
St. Quentw 2.
	        
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