26
sinnen, den überraschenden Erfolg durch einen sofortigen zweiten Offen-
sivstoß auszunutzen und die deutsche Nordfront ins Wanken zu bringen,
kühl von sich. Er stand mitten in den Vorbereitungen zu seiner zweiten
Aktion, die er nicht einen Tag früher zu unternehmen gedachte, bevor
die letzte Granate auf ihrem Stapel, der letzte Soldat auf seinem Posten,
das letzte Geschütz in Stellung sein würde. Er war sich der zehnmal
größeren Schwierigkeiten dieser zweiten Aktion bewußt.
Vierzig englische Divisionen wurden zwischen Mitte Juni und
Mitte Juli nördlich des Kemmel bis zum Anschluß an die neu ein-
geschobene französische Armee (1. Armee, General A n t h o i n e) nördlich
Boesingen oersammelt. Eine Artilleriemasse wurde zusammengezogen,
wie sie die Kriegsgeschichte noch niemals gekannt. Ungeheure Stapel
von Munition türmten sich überall auf. Hunderte von Jagdfliegern,
zahlreiche Bombengeschwader traten in Erscheinung. Die gesamte Macht
des britischen Imperiums war in methodischer Vorbereitung ausge-
boten, um eine Schlacht zu liefern, deren Dauer, Umfang und Mitte!
unerhört neuen Grundsätzen entsprachen.
So wenig solche gewaltigen Vorbereitungen vor den Augen der
Deutschen verborgen werden konnten, so wenig rechnete der englische
Befehlshaber mit einem raschen Ergebnis. Er wußte, daß es ein gegen-
fettiges Abringen geben würde, bei dem die Überlegenheit der Masse
und des Materials, der größere Einsatz, den. Erfolg bringen mußten.
Auf dieser Erkenntnis bauten sich alle materiellen und taktischen Vor-
bereitungen auf.
H a i g erstrebte keinen genialen Durchstoß, der möglichst schnell
eine operative Entscheidung im freien Felde bringen sollte. Ihm
lag kein Tannenberg, er verschmähte auch weit ausgreifende strategische
Pläne, wie sie dem deutschen Angriff auf Verdun, der französischen
Offensive an der Aisne zugrunde gelegen hatten. Für ihn gab es nur
einen Grundsatz, den er den Erfahrungen von Verdun und der Somme
zu entnehmen berechtigt zu sein glaubte, und der vorzüglich zu seiner Art
methodischer Rechenexempel paßte:
Man nehme sich einen zwanzig Kilometer breitW und drei Kilo-
meter tiefen Abschnitt der feindlichen Front vor, zerh'ämmere ihn vier-
zehn Tage lang mit ein paar tausend Geschützen aller Kaliber, über-
schütte ihn mit einigen hunderttausend Gasgranaten, kehre das unterste
zu oberst, bis nach menschlichem Ermessen sich nichts mehr darin regen
kann — dann besetze man ihn durch zehn hintereinander vorgehende,
von einer Feuerglocke geschützte, von Maschinengewehren, Tanks und