Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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Auge zu zwinkern und die Tonpfeifen splittern zu lassen, bis die Schietz- 
bude aussieht wie ein gerupfter Hahn und bis das Schießmädchen mit 
resigniertem und schmerzlichem Lächeln eine Pause ankündet. Bedächtig 
und stumm gehen die Fünfe davon, des Jubels nicht achtend, der sie 
begleitet. 
Es ist ein Schwatzen und Schmatzen, ein Tanzen und Trampeln, 
ein Drängeln und Drücken ringsum, als habe der groote Platz die 
Fröhlichkeit von ganz Flandern, von Gent und Brügge bis hinab nach 
Kortrik und Meenen, für heute abend gepachtet. Das lacht und jauchzt, 
das strahlt und glänzt aus geröteten Gesichtern, das schäkert und schiebt 
sich von einer Bude zur anderen, als ob alle diese Menschen niemals... 
denn die Steine überall, an den Häusern, auf dem Pflaster . . . und die 
Kinder auch, ja, die zehnjährigen ... die wissen ja alle nichts davon .. . 
die waren ja noch nicht da, damals, als hier . . . 
Vom Sankt-Martins-Turm herab schlägt jetzt mit dumpfem Schall 
eine Glocke . .. aber das ist ja nicht möglich, die Kathedrale war einmal, 
hölzerne Gerüste steigen verlassen empor und das Hauptschiff auf der 
Ostseite ist bereits bis zu den Ziselierungen am Gesims gediehen. Dann 
kam der Klang wohl aus anderer Richtung. Oder war er überhaupt 
nicht? Oder kam er, seltsamer Spuk, aus zehnjähriger Vergangenheit, 
gespenstischer Gruß einer versunkenen, zerhämmerten, umgewühlten, 
ausgelöschten Stadt? 
„Valencia, deine Augen glühn und saugen mir die Seele aus dem 
Leib," schreit das Karussell vom grooten Platz. Zischend fahren Raketen 
irgendwo in die Luft. 
Das Geschrei dringt verworren hinein in diese hohlen Gänge unter 
geborstenen, schwarzen Mauern, zwischen denen der Mond weihe Flecken 
malt. Reste von gotischen Spitzbögen, hier die Grundrisse eines mächtigen 
viereckigen Turmbaus. . . 
Das schallende Jauchzen, der Massenschrei der Fröhlichkeit verirrt 
sich fremd erschauernd und jäh abreißend hierher . . . mächtiger vier- 
eckiger Turmbau? 
Zehn Jahre, dreizehn ... die Gedanken wandern . . . von Moors- 
leede her und Dadizeele, wo die schweren Achtunddreißig-Zentimeter- 
Marinegeschütze stehen, rauscht es durch die Luft . . . Qualm, Staub, 
Mörtel, Steine wirbeln mit dumpfem Krach empor . . . zuerst bricht 
das Dach ein, dann der ganze mächtige Bau, der den Engländern nach 
dem Einsturz der Kathedrale als vorzügliche Beobachtung gedient . . . 
die alte, ehrwürdige Dxerner Tuchhalle mit ihrem gewaltigen viereckigen
	        
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