Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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schon vor Verdun und an der Somme in seinem Unterstand gelegen. 
Sie gehören zu seiner engsten Familie und sind stolz darauf. Stirbt 
einer von ihnen den Soldatentod, so schreibt „der Alte" persönlich nach 
Hause an die Frau, die Mutter, den Vater. Nicht viele Zeilen, nur ein 
paar eindrucksvolle Worte. Ein neuer tritt an seine Stelle, die Tra- 
dition setzt sich fort vom Toten aus den Lebendigen. Es ist keiner in 
dieser männlichen Familie, der nicht das Herz auf dem rechten Fleck 
hat, und der für „den Alten" nicht durch Tod und Hölle ginge. 
Es gibt keine Redensarten hier. „Der Alte" spricht nicht ein Wort 
zuviel und trägt sein Gemüt nicht auf der Zunge, sondern im Herzen, 
wohin es gehört. 
Bisweilen nur, wenn die Division aus der Front gezogen und 
hinten in kümmerlichen Quartieren ein paar Tage zwischen Großkampf 
und Großkampf verbringt, wenn er mit seinen Kompagnieführern, dem 
getreuen Adjutanten und Ordonnanzoffizier im sogenannten Kasino sitzt, 
seine Zigarre raucht und ein Glas Wein trinkt — dann fängt er auf 
einmal an zu plaudern. Von seiner Jugend, seinen Streichen, der 
Strenge des Vaters, von seiner Dienstzeit, seinen Vorgesetzten, seinen 
Leuten. Von allen anderen Dingen, nur vom Krieg nicht und dem 
Kampf um die Trichter. Und zum Schluß, ehe er sagt: „Meine Herren, 
es ist Zeit, das Lager aufzusuchen, morgen früh ist... Besichtigung" 
— zum Schluß erzählt er noch einen uralten Witz aus seiner Fähnrichs- 
zeit, den sie alle längst kennen. Aber sie lachen und freuen sich, denn 
sie wissen nun, daß es „dem Alten" gut geht. 
Woran er denkt, wenn er dann allein in dem weiß überzogenen Bett 
liegt, das ihm die Ortskommandantur zur Verfügung gestellt, und das 
fast ebenso behaglich ist wie das des Ortskommandanten selbst — woran 
er dann denkt, das freilich weiß keiner. 
Nein, es ist nicht mehr schön in Flandern, auch bei Vijswegen nicht. 
Vijfwegen liegt dicht an der Bahnlinie Ypern—Langemark— 
Staden, genau südöstlich des Houthulster Waldes. Fünf Wege stoßen 
dort zusammen, einer führt nach Staden, einer nach Westroosebeke, einer 
nach Schaap Balie und zwei in den Wald hinein. Früher stand eine 
Mühle beim Fünfwegekreuz. Aber das ist nun schon lange her. 
Man kann, wenn man auf der Karte die Bahnlinie betrachtet, den 
Verlauf der Schlacht ablesen wie auf einem Quecksilberthermometer. 
Im Juli verlief die Front vor Boesingen, der K.T.K. war in Pilckem,
	        
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