Volltext: Flandern 1917 [27] (Band 27/1928)

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Es ist schwer zu begreifen, daß unter diesen Umständen die innere 
Kampfkraft der Truppe nicht mehr litt, und daß jeder Angriffsstoß der 
Engländer stets auf eine abwehrbereite Verteidigung traf. Allerdings 
muß man auch in Rechnung setzen, daß selbst der Großkampf durch die 
stete Gewöhnung schließlich zum Alltäglichen werden kann. Mit der zu- 
nehmenden Abstumpfung und Gleichgültigkeit nimmt auch jene besondere 
innere Verfassung zu, die auf die furchtbaren Erscheinungen des Schlacht- 
feldes beim Großkampftag fast automatisch und gelassen reagieren läßt. 
Man ist nun einmal drin, und man macht sich ebensowenig Kummer 
über die Möglichkeit, in den nassen Trichtern umzukommen, wie über 
die fast noch bescheidenere Möglichkeit, unversehrt wieder Hinauszuge- 
langen. Das Sterben hat seine Schrecken verloren, seit es zu jeder 
Tages- und Nachtstunde als ständiger Begleiter neben einem steht. 
Der Frontinstinkt findet in jenem Zustand der „Wurschtigkeit" 
seinen besten Nährboden, der Elan wird zur Geduld, der Mut zur Ge- 
lasfenheit, die Tapferkeit zur Widerstandsfähigkeit gegenüber allen Er- 
eignifsen äußerer und innerer Art. 
Die Flandernschlacht zeigte ein Erstehen jenes neuartigen Soldaten- 
typs, Leute die fluchten, wenn sie im Ruhequartier von den hundert 
Paragraphen militärischer Disziplin gezwickt wurden, die durchaus keinen 
Wert darauf legten, alle paar Tage aufs neue in das Schlamassel 
hineingeschickt zu werden, um Orden oder anerkennende Worte im 
Heeresbericht zu erkämpfen, die aber vorn im Trichterfeld das Gerippe 
jeglicher Verteidigung ausmachten. Sie standen mit ihren Kompagnie- 
führern, die mit ihnen im Dreck lagen, gewissermaßen auf du und du, 
aber sie betrachteten verächtlich jeden Ortskommandanten in der Etappe. 
Sie hielten untereinander eine Kameradschaft, wie sie aufopfernder und 
treuer nicht gedacht werden kann, aber sie sahen als ihr Recht an, den 
Feldbäckereikolonnen die warmen Brote und die sorgsam gezüchteten 
Kaninchen und den Kommandanturen das frische Gemüse und die un- 
reifen Kartoffel zu „klauen." Sie wußten, auf wessen Schultern im 
entscheidenden Augenblick das Schicksal der Front lag, und im gleichen 
Maße, wie sie sich dieser Pflicht mit Selbstverständlichkeit und ohne 
jegliches Pathos unterzogen, waren sie auch vom Bewußtsein ihrer 
Bedeutung durchdrungen. So entstand das unverwüstliche, hundertmal 
bewährte, durch nichts aus der Fassung zu bringende „Frontschwein"... 
Groß waren nach wie vor die Schwierigkeiten der Material- 
Versorgung, in erster Linie des Munitionsnachschubs. Tage mit 250 000 
Schuß für die Artillerie allein bei der Gruppe Bpern, mit 400 000 Schuh 
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