Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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mit vor Gier funkelnden Augen ihre Suppe in Empfang nahmen und 
den Brotfladen sofort verschlangen. 
Und dicht daneben sehe ich zwanzig halbwüchsige Mädchen. Jedes 
einzelne hat einen Fettsteißhammel vor sich, und stundenlang, kaum 
durch kurze Pausen unterbrochen, stopft man diesen Hammeln, genau 
so, wie wir in der Heimat Gänse nudeln, zusammengedrehte Bündel 
Maulbeerblätter in den Schlund. Sie setzen bald, genau wie die Gänse, 
Massen von Fett an, bis sie sich nicht mehr bewegen können, dann 
werden sie geschlachtet und verschwinden als gesuchte Leckerbissen auf den 
Tafeln der türkischen Effendis in Beirut. Welch schreiender, echt orien- 
talischer Gegensatz zu der Schar hungernder Kinder. — 
Einen Tag später wieder ein neues Bild: gestern am Gestade des 
blauen Mittelmeeres — heute im Zeltlager von Rajak, gestern Kultur 
und orientalischer Luxus in Unterkunft und Verpflegung — heute Zelt¬ 
leben, Schlafen, Essen, Trinken kriegsmäßig. Das ist der Krieg und 
zwar der Krieg des Orients. 
Rajak, ein unscheinbarer, aus halbzerfallenen Lehmhäusern be* 
stehender kleiner Ort, ist die Hauptstation der Bahn Beirut—Damaskus, 
gleichzeitig die Umschlagstelle für die mit der Aleppobahn kommenden, 
für den Süden bestimmten Güter. Rajak stellte in dieser Eigenschaft 
einen ganz besonders wichtigen Punkt dar für den gesamten militärischen 
Transportverkehr nach der Palästinafront. Die deutsche Heeresleitung 
hatte sofort mit Beginn der Palästina-Operationen ihr Augenmerk auf 
diesen Punkt gerichtet und in der richtigen Erkenntnis, daß an dieser 
Bahn-Umschlagstelle mit einer erheblichen Stauung der Transporte zu 
rechnen sein würde, eine Ortskommandantur mit größter Machtbefugnis 
eingerichtet. 
Der deutsche Generalstab konnte allerdings damals noch nicht ahnen, 
bis zu welchem Umfange das Verkehrshindernis Rajak weiterhin infolge 
der mehr und mehr in die Erscheinung tretenden Unzulänglichkeiten der 
syrischen Eisenbahn sich auswachsen und wie lähmend dieses in die 
Bahnetappenlinie eingeschaltete „Stauwehr" auf die ganzen Unterneh- 
mungen an der Front wirken sollte. Zunächst galt es, bei dem Bahnhof 
Rajak Schuppen und Magazine zu bauen für Munition und alles andere 
sich hier stapelnde Heeresgut — aus einmn Nichts; denn es fehlte an 
jeder Art Baumaterial. Die „Zedern des Libanon" aus den Zeiten 
König H i ra m s und S a lo m o s waren schon unter der Römerherrschaft 
zur Sage geworden und finden sich heute nur noch in einigen vorzeitlichen 
Resten, die als Naturdenkmal geschont werden. Die spärlich vorhandenen
	        
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