Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Nichts zeugt heute mehr von der paradiesischen Fruchtbarkeit des Aller- 
tums. Aber die dunkele Erdkrume und das Netz im Boden zwecklos 
versickernder Wasseradern — ich befinde mich unmittelbar im Quellgebiet 
des alten Orontes und Leontes — weisen darauf hin, welche Schätze eine 
systematische Bodenkultur von neuem aus diesem Hochtal herausholen 
könnte. Erschreckend arm an Menschen ist das Land, Krieg und Hunger, 
vereint mit Bolksseuchen, haben es entvölkert. Nur hier und da über- 
holt der Wagen einzelne Beduinen und Fellachen, höchst fragwürdige 
Gestalten, bis an die Zähne bewaffnet, denen der einzelne Europäer 
besser aus dem Wege geht. Straßenraub und Mord sind hier tägliche 
Vorkommnisse, und wenige Tage später hörte ich mit tiefem Bedauern, 
daß ein junger deutscher Offizier, Leutnant W i e l a n d, mit dem ich in 
Baalbek gemeinsam am gastlichen Tische gestssen, der meuchlerischen 
Kugel der Räuber zum Opfer gefallen war. 
Rauh und verbrannt erheben sich vor mir die zerklüfteten Massen 
des Libanon, jetzt ohne jede Spur eines Pflanzenwuchses. Ich benutze 
die uralte Paßstraße, die schon in grauester Vorzeit den Osten mit dem 
Westen verband und über Bagdad, Palmyra und Damaskus den 
Warenaustausch zwischen Jndien-Babylonien und den Randvölkern des 
Mittelmeeres vermittelte. 
In steilen Schlangenwindungen steigt die leidlich gepflegte Fahr- 
straßs in fcharf westlicher Richtung bis zu einer Paßhöhe von 1700 vi 
empor. Die anfängliche Hitze macht, von Kilometer zu Kilometer fchnell 
abnehmend, empfindlicher Kühle Platz; bei 1400 m ziehe ich den Mantel 
über den Khaki; die durch die Hitze Aleppos verwöhnte Haut reagiert stark 
auf diesen Unterschied der Luftwärme. Die Beka mit ihrem dunkel- 
farbigen Acker, das idyllische Weinstädtchen Zahle, eingeschmiegt wie ein 
Bogelnest in die Hänge des fruchtbaren Berduni-Tales, Mualakka mit 
Kerah Ruh, dem „Grab des Propheten Noah" — alles das sinkt einem 
Kaleidoskop gleich hinter dem Benz-Wagen, der nur mit Mühe die steilen 
Kurven nimmt. 
Die Gegend wird immer kahler und steiniger; drüben aber im 
Osten steigt wie eine Mauer der Antilibanon und weiter südlich die 
Masse des Hermon auf. Die schnell sinkende Sonne taucht sie in rotes 
Feuer und leuchtende Farben, die von Minute zu Minute wechseln, ein 
wunderbares Bild der schnell hereinbrechenden subtropischen Dämme- 
rung, während die Ebene bereits im Grau des Abends liegt. Der Weg 
wird sehr steil. Karawanen von Kamelen und Maultieren, geleitet von 
phantastisch gekleideten Treibern, begegnen mir, ein Bild des Verkehrs^
	        
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