Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Ausrüstung für solche Fahrt muß sehr vielseitig sein, auch für den- 
jenigen, der ohne große Bequemlichkeit zu reisen gewohnt ist. Im Orient 
ist man auf Reisen am besten sein eigener Koch: ein guter Benzinkocher 
und Konserven sind daher unentbehrlich. Auch eines gewissen Waffen- 
schutzes für alle Möglichkeiten kann man nicht entraten. Die Mitnahme 
des Feldbettes und der nötigen Decken ist selbstverständlich. 
Man benutzt im Orient am zweckmäßigsten für die Bahnfahrt einen 
geschlossenen Güterwagen, da die Personenabteile, jedenfalls während 
der Kriegszeit, wegen der sechsbeinigen blinden Mitreisenden nicht zu 
empfehlen, mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Fleckfieber-Übertragung 
sogar gefährlich waren. Wir fuhren fahrplanmäßig, d. h. mit zwei 
Stunden Verspätung, 9 Uhr abends von Aleppo ab, nachdem der übliche 
Kampf mit dem türkischen Bahnhofskommandanten wegen Gestellung 
des Wagens mit Hilfe des pflichtmäßigen silbernen Händedruckes zu 
meinen Gunsten entschieden war. Sehr nützlich ist es, dafür zu sorgen, 
daß der eigene Wagen und die unmittelbar daranzukoppelnde Lore mit 
dem Kraftwagen gleich hinter der Maschine, jedenfalls vor den übrigen 
Wagen in den Zug gesetzt wird; denn sonst kann es der Reisende er- 
leben, daß er nach geruhsamer Nacht frühmorgens sich losgekoppelt auf 
irgendeiner gottverlassenen Station oder allein auf weiter Steppenflur 
vorfindet. Gestohlen wurde im übrigen auf den türkischen Bahnen da- 
mals bereits mit einer Virtuosität, die man in Deutschland erst als eine 
der Segnungen der Nachkriegszeit kennenlernen sollte. Man stahl alles, 
was irgendwie wertvoll schien — und das war eigentlich jeder Gegen- 
stand —, bohrte den verschlossenen Wagen mit der kostbaren Petroleum- 
ladung von unten an oder zog den Feldgrauen im Schlafe die Stiefel 
aus; selbst die Weihnachtskiste des Oberbefehlshabers war vor dem 
Zugriff des Syrers nicht geschützt. Die Nacht in einem türkischen Güter- 
wagen, der an allen Ecken durchlöchert, selbst für den Freiluftmenschen 
reichlich stark ventiliert war, dessen nervenzerhämmerndes Rasseln, 
Klappern und Klirren im Traum die Vorstellung erweckte, daß man in 
einem Blechhämmerwerk sich befinde, ist eine vortreffliche Belastungs- 
probe für die Nerven und das menschliche Anpassungsvermögen. 
Die wärmenden Strahlen der aufgehenden Sonne finden mich be- 
reits südlich von Haina, dem Epiphania des Altertums, im Flußgebiet 
des Nor el Asi, des alten Orontes. Der Zug hält einmal wieder auf 
offener Strecke; das ausschließlich zur Heizung der Maschine frisch ge- 
schlagen« Pappel- und Olivenholz ist angeblich zu naß und muß erst am 
Kesselfeuer getrocknet werden. Ich finde Zeit zu bequemer Morgen¬
	        
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