Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Ziehung so stiefmütterlich behandelt, daß es schwer, ja fast unmöglich ist, 
diese Lücke allgemeiner Bildung nachträglich mit Erfolg auszufüllen. Der 
Weltkrieg hat mich das besonders schmerzlich empfinden lassen. Ich 
gehe sogar soweit zu behaupten: unser Generalstab würde vielleicht mit 
ernsterem Bedenken an ein militärisches Unternehmen, wie es die Ex- 
pedition „Jildirim" darstellte, herangetreten sein, wenn er über die 
Schwierigkeiten genügend unterrichtet gewesen wäre, die ihm aus der 
Natur des Landes und dem Charakter seiner Bewohner, wie er sich in 
der Geschichte darstellt, erwachsen mußten. 
Umfangreich und bunt ist der Kranz der Literatur, der sich im Lause 
der Jahrhunderte um Syrien-Palästina gerankt hat. Abendländische 
Forscher aller Nationalitäten schürften nach dem Golde geschichtlicher 
Tatsachen in den Ruinen und Trümmerhaufen, die, überwuchert von den 
üppig blühenden Schlingpflanzen persischer und arabischer Dichtung, die 
Geheimnisse von Jahrtausenden decken. Und immer wieder fand man in 
den stummen Zeugen der Vergangenheit — gleichgültig, ob es sich um 
die Ziegelinschriften von Afsur und Babylon, um die Elephantina-Papyri 
oder die Tell el Amarna-Briese*) handelte — eine geradezu wunderbar 
anmutende Übereinstimmung mit dem Inhalt der Bibel, die auch in- 
dieser Beziehung wahrhaft von neuem sich als Buch der Bücher erwies. 
So hatte ich denn auch für mich als Wegweiser für die Fahrt durch 
Syrien-Palästina die Bibel gewählt; sie ist mir ein treuer und zu- 
verlässiger Begleiter geblieben in allen Fährnissen der folgenden Zeit,, 
eine unerschöpfliche Quelle geschichtlicher Kleinforschung an Ort und 
Stelle, der Schlüssel für das Verständnis von Land und Leuten. Und 
als die militärische Lage in Palästina sich zu jener Trostlosigkeit ent- 
wickelte, die der Vorläufer der tragischen Cndkatastrophe war, war es 
wieder die Bibel, die — und hierin wußte ich mich eins mit dem Ober- 
befehlshaber, General v. Falken Hayn — mit ihren unerschöpflichen 
Anregungen den Geist ablenkte von der Not der Gegenwart und ihm 
neue Spannkraft für die Forderungen des Kriegsdienstes verlieh. 
Syrien war feit den Uranfängen der Geschichte die Völkerbrücke 
zwischen Nord und Süd, Ost und West; ägyptische und babylonische 
* Ein 1887 bei der alten Residenz El Amarna in Oberägypien gemachter 
Tontafelfund. Er enthält eine sehr große Anzahl mit babylonischer Keilschrift 
beschriebener Tontafeln, die briefliche Mitteilungen asiatischer Könige und 
syrischer Vasallen an den Pharao Amenophis IV. (etwa 1500 v. Chr.) darstellen. 
Sic El Aincirna-Briefe sind eine der wichtigsten Quellen für die politischen 
Beziehungen zwischen Vvrderasien und Ägypten.
	        
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