Mit stiller Resignation mußte der Oberbefehlshaber sehr bald ein-
sehen, daß den Türken für solchen, doch auch ihren eigenen Interessen
dienenden Plan nicht nur das Verständnis fehlte, sondern auch die ge-
ringste Spur guten Willens zu nutzbringender Mitarbeit. Gelang es
doch überhaupt nur mit allergrößter Mühe und zähester Energie, in
notdürftigster Weise Räume für einige kleine Lazarette den türkischen
Ortsbehörden abzuringen. Die Verhandlungen wurden durchaus liebens-
würdig und höflich bei dem unvermeidlichen Kaffee und einer Zigarette
geführt; selten nur kam es zu einer scharfen Auseinandersetzung. Aber
der Türke ist ein Meister der Ausflüchte und Intrige, vermeidet peinlichst
eine präzise Zusicherung, scheut sich durchaus nicht, nachmittags das glatt
abzuleugnen, was er vormittags versprochen hat, schiebt die Entscheidung
immer der nächsthöheren Dienststelle zu, um schließlich wie hier in
Aleppo, wenn er ganz in die Enge getrieben wird, zu erklären: „Das
kann nur D j e m a l P a s ch a in Damaskus bewilligen!" Und so ist man
denn nach tage- und wochenlangem Liebeswerben schließlich genau so
weit wie vorher. Das kostet Nerven, und wer diesen freudlosen Kampf
einmal durchgekostet hat, vergißt ihn nicht.
Immer wieder stellten sich der deutschen organisatorischen Arbeit
neue Hemmnisse entgegen. Die von der Militärmission in Aleppo zur
Verfügung gestellten Vorräte waren so gering, daß man sehr bald auf
neuen Nachschub angewiesen war. Geradezu vernichtend wirkte der
Brand des Bahnhofs Haidar Pascha, durch den auch das Sanitätsdepot
„Jildirim" mit allen Vorräten an Arzneistoffen, besonders Chinin,
außerdem acht Sanitätskraftwagen und der gesamte Gummivorrat zer-
stört worden waren.
Die Malariafälle häuften sich mit dem Eintreffen der Kraftfahr-
kolonnen, die auf Landmarsch den Taurus und die Fieberebene von
Adana passiert hatten. Das Chinin war bis auf einen kleinen Rest aus-
gegeben. In Verkennung des Wertes fingen Soldaten in einzelnen
Fällen an, ihr Chinin gegen Rakifchnaps und Zigaretten zu verkaufen!
Die der Heeresgruppe unterstellten türkischen Divisionen waren fast
gänzlich von Sanitätsmaterial entblößt, wodurch eine neue schwere
Sorge für mich, den auch dafür verantwortlichen deutschen Arzt, erwuchs.
Das für die türkische Armee bestimmte und von Berlin bereits vor
längerer Zeit abgeschickte Sanitätsmaterial wurde in Konstantinopel fest-
gehalten, ein Teil verschwand unter den Händen der osmanischen
Sanitätsverwaltung. Dagegen war nichts zu machen, alle Schritte waren
vergeblich, und so mußte die Front notleiden.