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Hölle auf Erden, dazu die Brutstätte des Malaria- und Papataccifiebers.
Ich habe noch Gelegenheit, die kümmerlichen, sanitären Anlagen,
die Entlausungsanstalt und Krankensammelstelle zu besichtigen. Dann
beginnt die Bergfahrt auf kleinen, offenen, knapp mit Segeltuch über-
dachten Feldbahnwagen. Gab es in Karapunar Wohnungen aller Art,
—urwüchsig in den Ästen derBäume die Eingeborenen: Türken. Armenier,
Griechen daneben in Erdhütten, Kegelzelten. Hütten aus Zweigen — so
sehen wir oben an den Bergen über der Malaria die schmucken Häuschen
der deutschen und schweizerischen Bagdadbahn-Ingenieure. Ein buntes
Gemisch aus Völkerrassen Europas und Asiens, auf diesem kleinen Raum
vereint, ist eingestellt durch deutsche Tatkraft auf das eine Ziel, das ge-
waltige Naturhindernis des Taurusmaffios zu durchtunneln und den
Weg nach Süden frei zu machen.
Vier Stunden geht die Fahrt durch die wildeste und zerrissenste
Gebirgsnatur, die wohl je auf dem Erdball der Geist des Ingenieurs
überwand. Von einem Grat zum anderen windet sich der Kleinbahnzug
an schwindelnden Abgründen dahin: immer wieder taucht er ein in neue
Tunnel, oft auf Strecken von sechs bis acht Kilometern unter Tag ver-
schwindend. Luftschächte und in den Fels gesprengte Galeriefenster
sorgen für den so nötigen Sauerstoff: nur mittels Preßdampf, rauch-
und gasfrei, werden die Tunnel überwunden. Wo aber der Zug offen
dahinkriecht in immer neuen Windungen, da fällt der Blick tief hinunter
auf die uralte Paßstraße, die so alt ist. wie Menschen wanderten.
Die Hetiter zogen hier ihre Straße, jenes uralte Kulturvolk Vorder-
asiens, vielleicht indogermanischen Einschlages. Sie schwanden dahin,
bezwungen von fremden Eindringlingen: mit ihnen versank eine uns
fremde Kultur, deren Spuren wir bislang vergebens aus Inschriften, in
Fels gehauen, zu entziffern suchten. Und wieder vergingen Jahrhunderte;
da zog dort unten, wo eben winzig wie Schachtelsoldaten ein Trupp kur-
bischer Reiter mit fliegenden Nackenschleiern dahinsprengt, X e r x e s mit
seinen Heeresmassen aus Persien, Medien und dem zentralasiatischen
Hochland nach Norden. Auf Alexander, der mit seinen Scharen von der
fernen Heimat durch die „Porta Eiliciae" in eine neue Welt vordrang,
folgte der klirrende Schritt der römischen Legionen unter P o m p e j u s.
Heere deutscher Kreuzritter aus Thüringens und Schwabens Gauen
zogen dort unten nach Süden: Abenteuerlust und religiöse Begeisterung
ließ sie dahinsinken in der fieberfckwangeren Ebene von Adana und unter
dem Krummschwert eines S a la d in auf dem blutgetränkten Lavaboden
des Kam Hattin am See Genezareth. Auf derselben Straße sehen wir