Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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so wähnte man die heilige Stätte gesichert vor dem entweihenden 
Schritt des blonden Eroberers. 
Das Serail des Sultans ist verschlossen: nur die gewölbte Torhalle 
darf man betreten: ein Schauer wie Blutgeruch und tausendfältiger Mord 
umweht den Eindringling. Aber vor dem Serail der weite Platz mit 
uralten, von den Jahrhunderten gebeugten Platanen, unter denen die 
Verschwörer der Janitscharen lagerten und mit gierigem Blick nach den 
Zinnen des Serails starrten, bis die blutigen Köpfe enthaupteter, miß- 
liebiger Paschas erschienen... Doch wessen Feder will all das in Worte 
fassen, was da an Erinnerungen von Jahrtausenden auf Schritt und Tritt 
auf den modernen Menschen einstürmt. „Nichts Gewaltigeres schuf die 
Natur denn den Menschen!" — 
Über die Galatabrücke führt der Rückweg. Die Abendsonne des Sep- 
tember bricht noch einmal aufleuchtend durch die dunkle, im Westen sich 
türmende Wolkenbank und zaubert ein Bild hervor von unbeschreiblicher 
Pracht und packendem Reiz. Ein osmanischer Transportdampfer verläßt 
eben das Goldene Horn: vollgestopft mit türkischen Rekruten, bringt er 
sie hinüber zum kleinasiatischen Festlande, von wo sie weitergeleitet wer- 
den nach Süden, den letzten Rest türkischen Prestiges zu retten in den 
kahlen Bergen Judäas und am Rande der Wüste Pharan. 
Die Seele wird überflutet von neuen Eindrücken und Bildern, und 
doch spürt sie kein Gefühl der Übersättigung: aber der Mund wird stumm 
vor all dem Herrlichen, was das Auge schaut. — 
Am 4. September erfolgt der geheime Befehl, daß bereits an dem- 
selben Abend der Stab auf asiatischen Boden übersetzen und die Fahrt 
nach dem Süden antreten würde. Nur wenig ist noch zu erledigen. 
Nach außen hin ist nichts bekanntgegeben von der vorzeitigen Abreise 
des deutschen Oberbefehlshabers und seines Stabes. 
Tiefes Dunkel liegt über dem Kai von Dolma Bagdsche, als die 
türkische Flottenbarkasse 9™ abends abstößt. Die Teilnehmer dieses ersten 
Transportes sind General v. F a l k e n h a y n, Rittmeister v. d. G r ö b e n 
als persönlicher Adjutant, der Hauptmann im Generalstabe v. P a p e n, 
der türkische Oberstleutnant H ü s n i B e y, ich selbst, begleitet von meinem 
Adjutanten, Stabsarzt Seiler, und einige jüngere deutsche und türkische 
Ordonnanzoffiziere. Die persönliche Sicherung des Stabes ist einer 
kleinen türkischen Stabswache anvertraut. 
Der Chef des Generalstabes, Oberst v. D o m m e s, und die übrigen 
Herren des Stabes werden später nachkommen.
	        
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