Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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Offiziere—; so nimmt man den Tee unter Zypressen, ragenden Zedern 
und immergrünen Tulpenbäumen. 
Allmählich übergießen die Strahlen der im Westen versinkenden 
Spätsommersonne das ganze reizvolle Bild mit rötlichem Lichte, während 
im Osten aus den Fluten des Schwarzen Meeres der leuchtende Vollmond 
emporsteigt. 
Schnell fliegen die paar Stunden dahin; bei Vollmondschein fährt 
der Kraftwagen zurück nach dem schlafenden Pera, geheimnisvoll rauschen 
die dunkeln Fluten des Meerstromes. Sehnsuchtsvoll fliegen die Es- 
danken der Heimat zu. fliegen weiter nach Flandern, der Champagne 
und Riga, an alle Fronten, wo Deutsche am Feinde liegen: — wie un- 
gleich und rätselhaft schüttelt doch dieser furchtbare Weltkrieg dem 
einzelnen seine Lose! 
Spät nachmittags am nächsten Tage — ein Gang durch das alte 
Stambul mit seinen ungezählten Reizen und Sehenswürdigkeiten, der 
auch für denjenigen, dem der Orient und fein Treiben nicht mehr fremd, 
lohnend ist. Die Kuppelmoschee der Sultanin Valida, in deren hohen 
Hallen eben der fromme Moslem sein Abendgebet verrichtet. Das Stein- 
labyrinth des Basar in seinem geheimnisvollen Halbdunkel mit Schätzen 
aller Art, besonders Teppichen, deren Preis aber bereits damals eine 
schwindelhafte Kriegshöhe erreicht hatte. Die Mosches Sultan Achmed, 
als Rekrutendepot profanen Zwecken dienend. Der uralte ägyptische 
Obelisk, der noch die Pracht der Pharaonen schaute, in ewig jugendlichem 
Glänze, als hätte er eben die Werkstatt des Steinmetz von Memphis 
verlassen; der bronzene, aus dreifach gewundenem Hydraleib mystisch 
emporwachsende Stamm, ein griechisches Opfergeschenk, geweiht dem 
Delphischen Apoll nach dem Siege von Platää 479 v. Chr. Geburt! Endlich 
die ragende Kuppelpracht der Hagia Sofia mit dem goldenen Halbmond 
auf höchster Zinne. Das Innere des einzig dastehenden Gotteshauses liegt 
öde und verlassen da, Grabesstille herrscht in der weiten Halle, verklun- 
gen ist der Gebetsruf „Allah il Allah, Mohamed rafulalahil"*), seitdem 
man damals, als der Bulgare im siegreichen Ansturm bis zur Tscha- 
dalscha-Linie vordrang und der blonde Zar Ferdinand mit dem 
Schwert an das goldene verschlossene Tor des alten Stambul schlug, die 
Erfüllung der tausendjährigen Weissagung gekommen glaubte: „Das 
falbhaarige Geschlecht der Nordischen wird die Stadt erobern!" Da legte 
man Taufende sterbender Cholerakranker in die Hallen der Hagia Sofia; 
*) Glaubensbekenntnis des Islam: „Es gibt nur einen Gott, Mohamed 
ist der Prophet Gottes."
	        
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