Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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ausgezeichnet hatten, die aus der Vielseitigkeit des Gesprächsstoffes sich 
ergebenden geistigen Anregungen, all das war mit einem Schlage rveg- 
gewischt; dergleichen konnte in einem Kreis türkischer Offiziere unter 
dem Vorsitz des nur einseitig vorgebildeten türkischen Chefs nicht zur Gel- 
tung kommen. Der deutsche Offizier mußte sich in einem türkischen Stabe 
vereinsamt und fremd fühlen. 
Mit gemischten Empfindungen verließen wir das Feld der bisherigen 
Tätigkeit. Zum Teil gänzlich neu, aber immer reich an interessanten 
Anregungen, Beobachtungen und Erfahrungen waren die Aufgaben, die 
uns das „Jildirim"-Unternehmen unter der überragenden Führung eines 
Falken Hayn gestellt hatte. Ein voller Erfolg war uns nicht beschieden 
gewesen, und innerlich waren wir dem Land fremd geblieben, dem wir 
unsere besten Kräfte in schwerster Zeit gewidmet hatten. Die Ursache dieser 
Erscheinung lag in der Gegensätzlichkeit der Rasse, vor allem im Charakter 
des Türken, des Orientalen überhaupt, dessen feinste Falten sich dem 
Abendländer nie ganz enthüllen. Das arabische Wort „akil" bedeutet zu- 
gleich „klug" und „verschlagen", „ränkevoll": d. h. wer klug ist, muß auch 
verschlagen sein. Dies gilt ebenso für den Türken; deshalb hält dieser 
'es für unklug, offen feine Ansicht zu sagen, ohne darin etwas Unzulässiges 
zu erblicken. Nur so erklärt es sich, daß der Abendländer den Türken häufig 
als unehrlich, lügnerisch bezeichnet. Jener nimmt eben alles für bare 
Münze, was der Türke sagt und verspricht, ohne dabei an das zu denken, 
was dieser verschweigt. Der Türke von heute ist sich seiner Unterlegen- 
heit neben dem Abendländer wohl bewußt, aber er ist eitel und deshalb 
bestrebt, seine Schwäche zu verheimlichen. Hieraus entspringt das eifer- 
süchtige Mißtrauen dem Fremden gegenüber, aus dessen Rat und Hilfe 
er wohl gern Nutzen ziehen möchte, ohne aber einzuräumen, daß er ohne 
sie nicht auskommen kann. Nicht immer besaß andererseits der deutsche 
Offizier die Gabe, im dienstlichen und persönlichen Verkehr dieser Eigen- 
art des türkischen Charakters Rechnung zu tragen. Die Folge waren nur 
zu häufig Mißverständnisse und Reibungen, die auch der persönlichen 
inneren Annäherung hinderlich im Wege stehen mußten. — 
Ende März traten wir die Heimreise an. Die Eisenbahnfahrt von 
Nazareth nach Konstantinopel, beiläufig eine Entfernung von 1800 bis 
1900 km in der Luftlinie, mußte zum größten Teil im Güterwagen 
zurückgelegt werden und erforderte unter den damaligen Kriegsverhält- 
Nissen etwa dreizehn Tage. Ein „Paschazug" stand diesmal nicht zur 
Verfügung.
	        
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