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Unbilden des Regens und der Sonne. — „Hier saßen die faulen römischen
Soldaten," — so berichtet er weiter — „wenn sie auf Wache waren und
nichts zu tun hatten. Da vertrieben sich die Kerls die Zeit mit Mühle-
spielen. Sie sehen hier im Fußboden des Wachturms noch die Linien
und Löcher, in die sie die Steine setzten."
Eine geraume Zeit saß ich zusammen mit dem alten geschichts-
kundigen Franziskaner zwischen den Trümmern; eine ganze Zeitepoche
wurde vor meinem Auge lebendig: ich sah I e s u s hier wandeln mit sei-
nen Jüngern und hörte im Geist seine Stimme, die hier in der Halle der
jüdischen Schule zur Schar der Fischer, Zöllner und Kaufleute der Stadt
redete.
Ruhig und behaglich fließt die Erzählung Bruder W e n d e l i n s
dahin. Nun kommt er auf die kriegerischen Ereignisse der Gegenwart zu
sprechen: seine Erinnerung schweift auch zurück zu jenen großen Zeiten
von 1870, als er, ein flotter preußischer Husar, den Gaul zwischen den
Schenkeln, nach Frankreich ritt. Eigenartig hören sich in dem Munde des
weißhaarigen, alten Franziskaners kavalleristische Ausdrück; an, und
plötzlich klingt gar in meine neutestamentliche Stimmung ein altes preußi-
sches Soldatenlied hinein, das gar nicht in diese Umgebung paßt; aber es
verrät mir doch, welch treues, gutdeutsches Soldatenherz unter der
braunen Kutte da neben mir schlägt. Mit herzlichem Händedruck scheide
ich von dem alten Herrn. Gott sei Dank, noch sind trotz des Weltkrieges
nicht alle Originale unter den Menschen ausgestorben.
Dann noch eine kurze Stunde der Sammlung und Erholung auf der
Gartenterrasse bei den gastlichen Franziskanern in Tapcha. Leise wie ein
bläulicher Schleier sinkt die Abenddämmerung herab und deckt mit tiefem
Gottesfrieden die Landschaft. Leise atmet der See. hier und da noch
der Laut eines schlummernden Sängers in den mit goldenen Früchten be-
ladenen Zitronenbüschen. — Nun wird es ganz still. Mit lautlosein
Flügelschlag streicht ein großer Nachtvogel über die dunkle Fläche des
Wassers, die Natur schläft. Übermächtig und unbeschreiblich ist der Zauber
dieser weichen Frühlingsnacht am Galiläischen Meer. —
Oft haben wir uns in Palästina gefragt-, wie mag auf unseren ein-
fachen deutschen Soldaten der Boden des Heiligen Landes, die Erinnerung
an jenes große Geschehen vor 2000 Jahren einwirken? Welchen Einfluß
mögen die heiligen Stätten auf sein Denken und Vorstellungsvermögen
ausüben? Ist er überhaupt empfänglich für den Zauber der Örtlichkeit,
wird er ein dankbares und fruchtbringendes Erinnern mit nach Haus
nehmen, oder hat der lange Feldzug, der Schrecken so vieler Kriegs¬