Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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ihnen. Wie sagt Christi Weissagung? „Ein Volk wird sich erheben über 
das andere und ein Reich über das andere. Wenn ihr aber sehen werdet 
Jerusalem belagert mit einem Heere, so merkt, daß herbeigekommen ist 
seine Verwüstung. Alsdann, wer in Judäa ist, der fliehe auf das Gebirge, 
und wer drinnen ist, der weiche heraus, und wer auf dem Lande ist, 
der komme nicht hineinl" 
Schwere Regentropfen fallen heute von dem trüben Grau des 
Himmels, Tränen gleich. Sie löschen den Staub der Straße, hüllen 
aber das Gesamtbild in noch tiefere Schwermut. 
Am Abend des 13. traf der Vizegeneralissimus der türkischen Armee, 
E n v e r Pascha, mit seinem Stabe zu kurzem Besuch der Front 
ein. Auch er steht dem ganzen Zusammenbruch machtlos gegenüber und 
vermag die Katastrophe nicht aufzuhalten. Der sonst so lebhafte Mann 
ist heute wortkarg und fährt am nächsten Nachmittage wieder in 
Richtung Nablus zurück. 
Die Auflösung der türkischen Front spiegelte sich am deutlichsten 
wieder in der Zahl von über 10 VW Deserteuren, darunter 500 Offi¬ 
zieren, die weit hinter der Front längs der Bahn nach Damaskus auf- 
gegriffen wurden. 
Am 15. November fiel Sarar den Engländern in die Hände und 
zwar ohne vorausgegangene Sprengung der Brücke über den Wadi 
Sarar, da trotz Drängens von deutscher Seite der richtige letzte Augen- 
blick durch die Türken versäumt wurde. Damit waren unsere Feinde 
im Besitz des Schlüssels der Bahn nach Jerusalem: der Fall der Stadt 
rückte näher. 
Aber auch erhebende Augenblicke erlebt man. Probst Jeremias, 
der tapfere Bannerträger des evangelischen Deutschtums in Jerusalem, 
will zurückbleiben und als getreuer Hirt seine Herde nicht verlassen. 
Ebenso will ein altes schwäbisches Ehepaar ihrem Heim, in dem sie seit 
4V Jahren sich glücklich fühlten, getreu bleiben; sie bauen auf die an- 
ständige Gesinnung der Engländer und haben in tapferer Betätigung 
ihres Deutschtums alles, was sie an Bildern vom Kaiser, Bismarck, 
Hindenburg haben, in ihrem Zimmer aufgestellt; auf der alten Kommode 
aber sieht man die Bilder ihrer sechs Söhne, die alle im Felde stehen. 
Solche Vaterlandsliebe und solches Gottvertrauen wirkt ergreifend. — 
Die Lage am Feind klärte sich dahin, daß er starke Kräfte näher 
und näher auf seinen linken Flügel längs der Küste zog, um dem- 
nächst gegen Jerusalem nach Osten einzuschwenken. Wenn auch die 
von Sarar nach Jerusalem führende Straße vorläufig noch durch
	        
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