Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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zuzuführen. Bis am Abend hatten sich in dieser „Falle" etwa 700 Mann, 
mehrere Geschütze, mehrere hundert Reiter und zwei Dutzend Kamele 
gefangen. Falkenhayn hatte recht, wenn er sagte: „Wir führen 
hier nicht einen modernen Krieg, wie an anderen Fronten, sondern 
wie zur Zeit des Zusammenbruches der Kreuzzüge." Die Ereignisse 
da vor unseren Augen muteten in der Tat wie graues Mittelalter an. 
Dabei war die Panik bei Et Tine ganz unverständlich, wie meist in 
solchen Fällen; der Feind drängte gar nicht nennenswert nach. Von 
einer Landung der Engländer verlautete bis zum Abend nichts. Der 
Oberbefehlshaber hatte sichere Kunde erhalten, daß deutsche U-Boote 
vor der syrischen Küste eingetroffen waren, woraus wohl die bisher 
unterbliebene Landung zu erklären war. 
Was bedeutet eigentlich der Begriff „Panik"? 
Panik ist eine durch Massensuggestion — gleichgültig, ob auf 
Grund wirklicher oder nur vermeintlicher drohender Ereignisse — 
hervorgerufene, plötzlich einsetzende schreckhafte Furcht vor persönlicher 
Vernichtung, bei welcher der Selbsterhaltungstrieb des einzelnen bis 
ins Krankhafte gesteigert und ruhige Überlegung ausgeschaltet ist. Die 
im Laufe kriegerischer Handlungen einsetzende Panik gehört zu den 
verhängnisvollsten Vorkommnissen und ist häufig geeignet, Wendungen 
von entscheidender Bedeutung herbeizuführen. Die Panik von Et Tine 
ist ein klassisches Beispiel für diesen Erfahrungssatz in der Kriegs- 
geschichte. 
In der Stadt Jerusalem sieht es heute wüst aus. Die engen 
Straßen vor der türkischen Etappeninspektion sind vollgestopft mit 
fliehenden Soldaten, Pferden, Maultieren, Geschützen und aller Art 
Kriegsgerät: das Geschrei von Menschen und Tieren vermischt sich mit 
Stöhnen und Grunzen der überlasteten Kamele; dazwischen Frauen 
und Kinder, beladen mit Hausgerät geringsten Wertes. Die türkischen 
Etappenoffiziere stehen dabei und wissen der Wirrnis nicht Herr zu 
werden. Das Chaos eines solchen türkischen fluchtartigen Rückzuges 
ist unbeschreiblich, Planlosigkeit, Kopflosigkeit und orientalische fatalistische 
Gleichgültigkeit reichen sich die Hand, um eine Entwirrung unmöglich 
zu machen. Man läuft selbst Gefahr, mit Gleichmut und Resignation 
tatenlos dem Ganzen zuzuschauen. 
Beim Stabe auf dem Ölberg herrscht tiefe Ruhe, die zu der Ver» 
wirrung und dem Tumult drüben in der heiligen Stadt in starkem 
Gegensatz steht. Von einer hohen Steinkanzel im Garten des Hospizes 
bietst sich ein unbeschreiblich eigenartiger Blick auf das Steinmeer der
	        
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