Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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und Salomo hier den Tempel errichteten, erbaut aus den Zedern des 
Libanons und geschmückt mit dem Gold und Elfenbein aus dem fernen 
Lande Ofir. Aber die Pracht des Tempels von Jerusalem sank dahin 
unter der plündernden Faust des ägyptischen Pharao und der Brand- 
schatzung arabischer Horden und assyrischer Heere, die unter Nebukad- 
n e z a r den Tempel dem Boden gleichmachten. Jahrhunderte gingen 
dahin, bis römische Legionen unter P o m p e j u s Jerusalem wieder 
zum Schauplatz blutiger Kämpfe machten, H e r o d e s der Große führte 
dann die Stadt zu neuem Glänze und ließ den alten salomonischen 
Tempel in niegesehenem Glänze neu erstehen. Nur für kurz bemessene 
Zeit. Schwerer und blutiger denn je brach das Verhängnis über die un- 
glückliche Stadt, als T i t u s im Jahre 70 n. Chr. Jerusalem nach mehr- 
monatigen Kämpfen erstürmte, den Tempel zerstörte und ungezählte 
Tausende seiner Einwohner hinschlachtete. Schnell hatte die Weissagung 
Jesu ihre Erfüllung gefunden: „Es wird die Zeit kommen, in welcher 
nicht ein Stein auf dem andern gelassen wird, der nicht zerbrochen wird." 
Erdrückend wirkt die Flut geschichtlicher Erinnerungen des Ortes 
auf Sinn und Gefühl des in stiller Nachtstunde dort oben sitzenden 
Menschen. Der Mond ist emporgestiegen und übergießt die Omar- 
moschee mit bläulichem Licht, läßt die Koransprüche tageshell erglänzen, 
die auf breitem Emailleband die Kuppel der Moschee umgürten. Wohl 
keine Stätte der Erde verkörpert in gleich packender Form die Geschichte 
der Menschheit wie der Tempelplatz der Stadt Davids. Und wie so 
ungezählte Male im Wandel der Zeiten hat auch heute das Schicksal 
Jerusalem wieder in den Brennpunkt weltumwälzender Ereignisse ge- 
stellt. Wer wollte behaupten, daß es das letzte Mal wäre? — 
An der Palästina-Front waren feit der für die Türken siegreichen 
zweiten Schlacht bei Gaza im April 1917 bemerkenswerte Ereignisse 
nicht eingetreten. Die türkische und englische Front lagen einander im 
Stellungskrieg gegenüber, und abgesehen von einzelnen beiderseitigen 
Erkundungsunternehmungen kam es nicht zu größeren Kämpfen. Die 
tropische Hitze des südlichen Sommers schloß solche aus. Um so lebhafter 
entwickelten sich hinter den Fronten die Vorbereitungen für eine zum 
Herbst zu erwartende Schlacht, die — es trat immer klarer zutage — 
die Entscheidung bringen mußte. Die Erkundungzflüge der ununter- 
brachen tätigen Fliegerabteilung v. Heemskerck (300) unterrichteten 
die deutsche Führung über das Fortschreiten der englischen Bahn in 
Richtung Birseba und meldeten von regem Schiffsverkehr auf dem 
Kanal und bei Port Said. Es war ein bitteres Gefühl für den deutschen
	        
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