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und Salomo hier den Tempel errichteten, erbaut aus den Zedern des
Libanons und geschmückt mit dem Gold und Elfenbein aus dem fernen
Lande Ofir. Aber die Pracht des Tempels von Jerusalem sank dahin
unter der plündernden Faust des ägyptischen Pharao und der Brand-
schatzung arabischer Horden und assyrischer Heere, die unter Nebukad-
n e z a r den Tempel dem Boden gleichmachten. Jahrhunderte gingen
dahin, bis römische Legionen unter P o m p e j u s Jerusalem wieder
zum Schauplatz blutiger Kämpfe machten, H e r o d e s der Große führte
dann die Stadt zu neuem Glänze und ließ den alten salomonischen
Tempel in niegesehenem Glänze neu erstehen. Nur für kurz bemessene
Zeit. Schwerer und blutiger denn je brach das Verhängnis über die un-
glückliche Stadt, als T i t u s im Jahre 70 n. Chr. Jerusalem nach mehr-
monatigen Kämpfen erstürmte, den Tempel zerstörte und ungezählte
Tausende seiner Einwohner hinschlachtete. Schnell hatte die Weissagung
Jesu ihre Erfüllung gefunden: „Es wird die Zeit kommen, in welcher
nicht ein Stein auf dem andern gelassen wird, der nicht zerbrochen wird."
Erdrückend wirkt die Flut geschichtlicher Erinnerungen des Ortes
auf Sinn und Gefühl des in stiller Nachtstunde dort oben sitzenden
Menschen. Der Mond ist emporgestiegen und übergießt die Omar-
moschee mit bläulichem Licht, läßt die Koransprüche tageshell erglänzen,
die auf breitem Emailleband die Kuppel der Moschee umgürten. Wohl
keine Stätte der Erde verkörpert in gleich packender Form die Geschichte
der Menschheit wie der Tempelplatz der Stadt Davids. Und wie so
ungezählte Male im Wandel der Zeiten hat auch heute das Schicksal
Jerusalem wieder in den Brennpunkt weltumwälzender Ereignisse ge-
stellt. Wer wollte behaupten, daß es das letzte Mal wäre? —
An der Palästina-Front waren feit der für die Türken siegreichen
zweiten Schlacht bei Gaza im April 1917 bemerkenswerte Ereignisse
nicht eingetreten. Die türkische und englische Front lagen einander im
Stellungskrieg gegenüber, und abgesehen von einzelnen beiderseitigen
Erkundungsunternehmungen kam es nicht zu größeren Kämpfen. Die
tropische Hitze des südlichen Sommers schloß solche aus. Um so lebhafter
entwickelten sich hinter den Fronten die Vorbereitungen für eine zum
Herbst zu erwartende Schlacht, die — es trat immer klarer zutage —
die Entscheidung bringen mußte. Die Erkundungzflüge der ununter-
brachen tätigen Fliegerabteilung v. Heemskerck (300) unterrichteten
die deutsche Führung über das Fortschreiten der englischen Bahn in
Richtung Birseba und meldeten von regem Schiffsverkehr auf dem
Kanal und bei Port Said. Es war ein bitteres Gefühl für den deutschen