102
stampfen sollten, konnte ich noch ungestört im Schatten üppig tragender
Orangen- und Zitronengärten mein einfaches Abendbrot einnehmen,
ehe ich die Weiterfahrt hinauf in das Gebirge von Iudäa antrat.
Gegen 7 Uhr abends traf ich in Ramle ein, um Benzin nachzu-
füllen bei der deutschen Fliegerabteilung. Sie hat sich in den Keller-
räumen des Franziskanerklosters, das an der Stelle des Hauses des
Joseph von Arimathia erbaut sein soll, häuslich eingerichtet. Hier hatte
auch 1799NapoleonBonaparte gewohnt. Bei den Fliegern hörte
ich die erste Nachricht von den großen Erfolgen der deutschen Armee
v. Below am Jsonzo. Gleichzeitig aber erhielt ich auch die erste zu-
verlässige Mitteilung, daß für die nächsten Tage bei Birseba bestimmt mit
einer großen englischen Offensive zu rechnen sein würde. Die Ereignisse
in der nächsten Zeit sollten die Richtigkeit der deutschen Fliegermeldung
bestätigen.
Bon Ramle nach Jerusalem steigt die Fahrstraße bald steil an, denn
Jerusalem liegt 800 Meter über dem Meeresspiegel. Immer kahler und
unwirtlicher wird die Gegend, wild und zerrissen ist das Gelände, ein
kalter Wind weht herab von den steinigen Höhen des Gebirges. Dunkel
heben sich links am Wege die Trümmer und Ruinen des alten Räuber-
dorfes Latrun vom nächtlichen Himmel ab, überragt von den Resten
eines alten Kreuzfahrerkastells. Die Legende verlegt nach Latrun die
Heimat des reuigen Schächers, der mit Christus zusammen a»s Gol-
gatha gekreuzigt wurde.
Ich setze Schweinwerfer, denn der Weg ist schlecht und gefährlich.
Ein Schakal mit spitzen Ohren gerät in den Lichtkegel, nur mit Mühe
findet er. geblendet von dem Schein der Azetylenlichter, den Weg seit-
wärts in das Steingeröll: um ein Haar wäre er überfahren. Immer
wilder wird die Umgebung, nur einen einsam dahintrabenden Kamel-
reiter überhole ich. „Kuds?" (Jerusalem) rufe ich ihm fragend zu.
„Tamaml" „Es stimmt!" Ich bin auf dem richtigen Wege.
Run geht es in steiler Serpentine hinab in ein mit Ölbäumen be-
pflanztes Tal. überragt von dem an den Berg angeklebten Dorf Kalonje,
dem alten Emaus des Reuen Testaments. Ich befinde mich an jener
Stelle, wo David den Goliath niederwarf und das Volk Israel von
seinen ärgsten Feinden, den Philistern, befreite.
In einem letzten angestrengten Anlauf nimmt mein Wagen die
gegenüberliegende Höhe. Rur mit Mühe vermag mein wackerer Kraft-
fahrer noch den Schlaf von seinen müden Augen fernzuhalten. Die
heute hinter uns liegende Wegstrecke war groß und verlangte fast über¬